Türsteher vor dem Klassenraum

Beim dritten Berliner Kinderkongress im Grips Podewil ging es um das Thema Selbstbestimmung an der Schule

Von Josephine Valeske , 17 Jahre

Beim dritten Kinderkongress durften die Teilnehmer wirklich alles selbst bestimmen. Entsprechend wuselig ging es zu.
Beim dritten Kinderkongress durften die Teilnehmer wirklich alles selbst bestimmen. Entsprechend wuselig ging es zu.
Foto: Jürgen Scheer

Gelernt wird auf dem Fußballplatz, der Unterrichtsstoff besteht aus Sport, Angeln und Computerspielen, und die Lehrer sind entweder nett, abwesend oder stehen den Schülern zu Diensten – in einer von Fünftklässlern erträumten Schule kann es wild zugehen. Dass es aber lohnt, sich ihre Vorstellungen anzuhören, zeigt der dritte Berliner Kinderkongress der Gripswerke, der vergangene Woche im Grips Podewil stattfand.

Unter der Überschrift „Wer bestimmt hier wen?“ beschäftigen sich vier Klassen aus verschiedenen Bezirken in neun Workshops mit unterschie

dlichen Aspekten von Selbstbestimmung an Schulen. Ein Thema: Das Essen. Beim Workshop „Tischlein deck dich!“ erfahren die Schüler durch chemische Experimente, welche Inhaltsstoffe in ihrem Schulessen stecken und wie es gemacht wird.

„Viele Kinder wussten nicht einmal, dass eine Tomate am Strauch wächst“, sagt Workshop-Leiterin Inés Lauber. Während des Kongresses kocht sie mit den Kindern aus frischen Zutaten. Eine andere Arbeitsgruppe beschäftigt sich damit, Gefühle „in Musik hineinzubauen“, wie ein Fünftklässler es beschreibt: Schulsituationen und die damit verbundenen Emotionen werden vertont.

Ein paar Räume weiter werden Geschichten geschrieben: Alles dreht sich um das Thema Zeit und Fragen wie die, ob es besser wäre, wenn etwa die Schule erst nachmittags beginnen würde oder die Schüler ihre Pausenzeiten selbst bestimmen könnten.

In der „Zukunftswerkstatt“ wird der Gedanke, der dem zugrunde liegt, auf radikale Weise in der Praxis ausprobiert. Die Workshop-Leiter lassen die Kinder wirklich alles, was in dem Raum vorgeht, demokratisch bestimmen: Sie spielen Spiele, ein Türsteher lässt nur die Besucher ein, die ihm passen, aber es gibt auch Diskussionen zwischen den Schülern.

Der erste Kinderkongress fand 2012 zum Thema Arm und Reich statt. Philipp Harpain, Projektleiter des dritten Berliner Kinderkongresses, sah beim Besuch einer Grundschule, dass einige Kinder in der Mittagspause an einem Nicht-Esser-Tisch sitzen mussten – darunter auch solche, deren Familien sich das Schulessen nicht leisten konnten. Um das mit den Kindern aufzuarbeiten, entstand in Kooperation mit dieser und anderen Grundschulen der Kinderkongress. Jedem Kongress folgt eine Produktion des Gripstheaters, die in losem Bezug zum Thema steht. Dieses Jahr ist es „Der kaukasische Kreidekreis“, ein Stück von Bertolt Brecht. Die Macher wollen es aus dem Blickwinkel des Kindes erzählen, das darin eine tragende Rolle spielt.

Ob die Kinder nach der Woche versuchen werden, mehr Selbstbestimmung in ihren Schulen durchzusetzen? „Sie lernen hier, für sich selbst zu sprechen“, sagt Philipp Harpain. Und das ist sicher schon viel wert.

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Kategorien Kultur Theater

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