Deutschlandreise zu Weihnachten
von Bill Schneider (18 Jahre)
Es gibt Texte, die öffnen mir die Augen. Christian Krachts Roman „Faserland“ ist einer von ihnen. Ich hatte das Gefühl, das Buch nicht nur während der Zeit des Lesens zu erleben. „Faserland“ verfolgte mich in die Schule und zum Einkaufen, auf dem Nachhauseweg und nachts. Der Roman wurde für mich ein stiller Begleiter, dessen unerschöpfliche Weisheit mir kaum verhoffte Erkenntnisse über unsere moderne Welt bereithielt.
Der Schweizer Autor schildert in seinem Werk recht unaufgeregt und ohne jegliche Kraftausdrücke oder Ekel-Passagen eine Geschichte, die an Tragik und Ausweglosigkeit kaum zu übertreffen ist. Der Protagonist des Textes stammt aus reichem Elternhaus und führt wenig andere Gespräche als über die Farbe seiner edlen Barbour-Jacke und ähnliche Nichtigkeiten. Auf einer Reise vom Nordzipfel Deutschlands bis an den Bodensee schleppt er sich von Party zu Party. Mit jedem Kapitel werden dem Leser unerahnte Kammern seines Herzens geöffnet und so ergibt sich nach gut 150 Seiten das subtil aber an sich eindeutig gezeichnete Bild eines Menschen, der nichts als tiefe Leere und große Sinnlosigkeit in seiner oberflächlichen Umgebung spürt. Christian Kracht hat mit diesem Text zugleich eine Art Deutschland-Atlas geschrieben: Der Roman liefert sehr gewinnbringende Beobachtungen über Deutschlands regionale Eigenarten.
Die Kombination eines melancholischen, apokalyptischen Tones mit dem humorvollen Blick auf eine Welt, die kälter als der Winter ist, macht Faserland zum passenden Weihnachtsgeschenk.