Sehnsucht nach der Friedenspfeife

Zum Weltnichtrauchertag: Eine Jugendreporterin erzählt vom Nikotinkrieg bei sich zu Hause

Viktoria Renner, 18 Jahre

Dank Rauchverboten, Nichtrauchertagen, abschreckenden Warnungen auf Zigarettenschachteln und vielem mehr ist Rauchen schon lange nicht mehr wirklich cool. Statt Humphrey Bogart in „The Big Sleep“ fällt einem heute als rauchende Filmfigur eher Aaron Eckhart als röchelnder Zigarettenlobbyist in „Thank You for Smoking“ ein. Um Image geht es also meiner Mutter und selbst mir als junger Raucherin nicht. Es tut manchmal einfach gut, einmal „durchzuatmen“ und sich zu entspannen. Das geht mit Zigarette sehr gut. Leider ist das Rauchen in unserer Familie alles andere als entspannend.

Hauptsache Schikane

Besonders ausgeprägten Raucherhass entwickeln meist die Menschen, die einst unfreiwillig ihrer Liebe zum Glimmstängel ein Ende setzen mussten, etwa aus gesundheitlichen Gründen. Als meinem Vater vor etwa neun Jahren dringend vom Arzt geraten wurde, mit dem Rauchen aufzuhören, wurde er vom Ketten- zum Antiraucher. Meine achtjährige Schwester hat er sobald sie sprechen konnte mit in sein Boot geholt und sie mittlerweile so gut instrumentalisiert, dass sie die Zigaretten mitzählt, die meine Mutter und ich rauchen. Außerdem hat sie ein Limit durchgesetzt, das wir nicht „überrauchen“ dürfen. Verstöße werden mit dem Verstecken oder Vernichten der Tabakvorräte bestraft. Im Gegensatz zum geselligen Gläschen bei Tisch, aus dem auch gerne mal ein bis zwei Fläschchen werden, hat die Zigarette bei uns in der Familie einen zentnerschweren Stand. Während im Wohnzimmer freudig das Glas gehoben werden darf, findet sich der Raucher zitternd auf dem Balkon wieder.

Dass es bei unseren Vorfahren mütterlicher- wie väterlicherseits Dispositionen zum Alkoholismus, nicht aber zum Lungenkrebs gibt, interessiert nicht weiter. Hauptsache, die Raucher werden schikaniert. Meine Schwester hat ein neues Hobby entwickelt: Sie entwirft die interessantesten Zigarettenverbotsschilder und hängt sie in meinem Zimmer auf. Das mag harmlos und süß klingen, kann aber manchmal äußerst anstrengend sein und ernsthafte Streits provozieren.

Der tägliche Nikotinkrieg hat eine starke Solidarität zwischen mir und meiner Mutter geschaffen. Wir helfen uns in Notzeiten gegenseitig aus. Wenn mein Vater mal wieder nur Zeitungen von dem für Zigaretten gedachten Geld gekauft hat, erspare ich ihr die Ehrenrunde zum Kiosk, indem ich ihr einen kleinen Überlebensvorrat drehe. Wenn wir dann gemeinsam am Fenster sitzen, dauert das oft nicht nur eine Zigarettenlänge – Rauchergespräche zwischen mir und meiner Mutter sind durch nichts zu ersetzen. Natürlich sollte man am besten weder mit dem Rauchen noch mit dem Trinken anfangen. Aber es ist ungerecht, das eine Laster als gesellschaftsfähiger als das andere einzustufen. Und die Raucher mit allen möglichen Schikanen zu bestrafen.
Ob meine Mutter und ich nun ständig husten, weil wir bei Wind und Wetter nach draußen geschickt werden, oder ob dies doch am Teer in unseren Lungen liegt, wissen wir nicht. Eines steht aber fest: Zusammen hustet man weniger allein.

In der Jugendredaktion löste dieser Artikel heftige Diskussionen aus. Was denkt ihr?

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Kategorien Gefühle Lifestyle

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