Vierzig Tage lang fastet unsere Redakteurin Margarethe mit Jugendlichen aus ganz Deutschland für ein besseres Klima
Die große grüne Einsamkeit
Als tapfere Teilzeit-Veganerin profitiere ich jetzt von der Konsequenz, die ich in vier Jahren Vollzeit-Vegetarismus unter Beweis stellen musste: Gummibärchen-Gruppenzwang widerstehen, Chicken Wings-Gelage ablehnen. Anschließend Augenrollachterbahnen ausbremsen. Die gesellschaftliche Dimension meiner Ernährung war mir daher durchaus bewusst, ich habe sie jedoch absolut unterschätzt. Essen ist ein Gesellschaftsding, zweifelsohne. Selbst in den unternehmungsärmsten WGs stehen gemeinsame Kochabende als Pflichtveranstaltung auf der To-Do-Liste und nirgends schwatzt es sich besser mit guten Freunden als über einem dampfenden Teller Lieblingspasta beim Kiez-Italiener.
Dank des mittlerweile voll aufgeblühten Veggie-Trends werden Vegetarier kulinarisch akzeptiert – aufkeimende Veganer hingegen gelten noch immer als Alien-Saat im Fooduniversum: „Was kannst Du denn überhaupt essen?“ – „Hast Du keine Angst vor Nährstoffmangel?“ – „Ist das nicht total umständlich?“ „Nur Gemüse essen, das ist doch langweilig.“ – „Ach, wir müssen uns ja auch gar nicht zum Essen treffen.“ Autsch. Ein schleichender Prozess gesellschaftlicher Ausgrenzung macht sich bemerkbar. Besonders schmerzhaft: Sogar die meisten Weine dürfen sich nicht mit einem großen V schreiben, denn der akademisch-alkoholische Lebenssaft von Künstlern und Denkern wird in der Regel mit Gelatine geklärt. Als mich diese Hiobsbotschaft erreicht, werde ich meiner drohenden Desozialisation gewahr. Meine CO2-neutrale Suchmaschine schlägt mir schon Öko-Selbsthilfegruppen vor. Wann war ich überhaupt das letzte Mal irgendwo zum Essen eingeladen? Kaffeeklatsch mit Sojamilch schmeckt offenbar nicht halb so gut wie mit dicker Sahnehaube.
Margarethe Neubauer, 21 Jahre