Wohnungsnot betrifft schon Schüler. Warum, erklärt die Leiterin einer Umfrage zu diesem Thema.
Eine Schülerin muss im Flur schlafen, weil sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung lebt. Junge Asylbewerber können keinen Schulabschluss machen, weil in dem Schlafsaal im Flüchtlingsheim keine Ruhe zum Lernen ist. In einer neuen Umfrage des Kreuzberger Jugendkunst- und Kulturhauses Schlesische 27, die den Titel „Wohnwut“ trägt, geht es um Jugendliche, die gezwungen sind, unter miserablen Bedingungen zu leben. Aber auch um solche, die schon während des Abiturs eine geräumige Altbauwohnung in der Innenstadt für sich haben. Es ist die erste Umfrage, die sich im Besonderen damit auseinandersetzt, was Wohnungsnot und die Verdrängung ärmerer Menschen aus der Innenstadt für junge Menschen bedeuten.
Ausgewählte Originaltöne aus den Interviews haben die Initiatoren des Projekts als Broschüre veröffentlicht. Alle Interviews kann man sich im Internet anhören. Die Jugendredaktion sprach mit Barbara Meyer, Leiterin der Schlesischen 27.
Frau Meyer, steigende Mieten und die Verdrängung ärmerer Menschen aus der Innenstadt sind schon länger ein Thema in Berlin. Bisher schien das eher ein „Erwachsenenproblem“ zu sein. Wie kamen Sie auf die Idee, Jugendliche danach zu fragen?
An unseren Projekten nehmen junge Menschen sehr unterschiedlicher sozialer Herkunft teil. Weil wir in unseren Werkstätten ab und zu Möbel herstellen, geht es in ihren Gesprächen oft um das Thema Wohnen. Dabei fällt auf, dass die Zukunftschancen der Jugendlichen häufig davon abhängen, wie sie wohnen. Es ist ein Unterschied, ob man sich nach dem Abi nur noch um die Einrichtung der Studentenwohnung kümmern muss, weil die Eltern die Miete zahlen können, oder ob man ohne eigenes Zimmer in Heimen oder Notunterkünften lebt. Mit Erreichen des Erwachsenenalters fallen Jugendliche aus der Jugendhilfe heraus und sie müssen sich in einem Erwachsenenwohnheim behaupten. In einem Viererzimmer beispielsweise, mit oftmals psychisch angeschlagenen oder gar alkoholkranken Zimmergenossen finden sie keinen ruhigen Ort für Hausaufgaben und Privatsphäre. Diesem Stress sind vor allem junge Flüchtlinge ausgesetzt. Deshalb haben wir ein Projekt gestartet, in dem 19 junge Interviewer durch alle Bezirke gezogen sind und rund 350 Jugendliche auf der Straße zu dem Thema befragt haben.
Lässt sich aus der Umfrage erkennen, was sich ändern muss, damit alle Jugendlichen gut wohnen können?
Ich möchte betonen, dass wir keine sozialwissenschaftliche Studie durchgeführt haben. Die Zitate aus der Umfrage, die wir in einer Broschüre versammelt haben, sind Auszüge. Wir haben sie subjektiv ausgewählt, sie sollen auf die problematische Wohnsituation vieler Jugendlicher aufmerksam machen und gleichzeitig Kontraste zu Lebenslagen gut situierter Altersgenossen sichtbar machen. Dennoch kann man daraus auch einige größere strukturelle Probleme ablesen, an denen gearbeitet werden sollte. Zum Beispiel sind Azubis bei der Wohnungssuche generell benachteiligt, weil sie nur ein kleines Gehalt haben und Studenten, die aus Akademikerfamilien kommen und eine Elternbürgschaft mitbringen, werden bevorzugt.
Ist eine Fortsetzung des Projekts geplant, um so etwas zu thematisieren und Lösungen zu suchen?
Die Umfrage war lediglich der Auftakt des Projekts „Wohnwut“. Im Juni werden wir auf einer Brache zwischen Hermannstraße und Tempelhofer Feld den „Junipark“ veranstalten. Dort werden sich Jugendliche mit Künstlern treffen. Es wird unter anderem Theaterstücke geben, die aus Zitaten der Umfrage erarbeitet werden und es wird Gesprächsrunden geben zu Problemen, die sich aus den Interviews herauslesen lassen. Einige Vorschläge, wie etwas zu verbessern wäre, könnten dann auch als Aktionen und kleine kreative „Dienstleistungen“ konkret werden. Alle sind willkommen, auch Jugendliche, die sich schon eine Eigentumswohnung leisten können. Gemeinsam soll versucht werden, Lösungsansätze für die Probleme junger Menschen auf dem Wohnungsmarkt zu finden.
Sie fragen nicht nur nach der Wohnsituation der Jugendlichen, sondern auch danach, was Berlin Jugendlichen bietet. Was erwarten junge Menschen von der Stadt?
Auffällig ist, dass die meisten sich mehr freie Räume wünschen, wo sie selbst etwas machen können. Als Beispiel dafür wird oft das Tempelhofer Feld genannt.
Das Gespräch führte Patrick Schmitt, (19 Jahre)