"Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung"

Das neue Schuljahr startet mit Neuerungen zur Integration, Inklusion und Berufsorientierung

Für 30 490 Erstklässler beginnt heute eine aufregende Zeit. Erstmals betreten sie, den Schulranzen auf dem Rücken, ihr neues Klassenzimmer. Noch ist die Umgebung fremd. Aber auch für den Rest der 422 230 Berliner Schülerinnen und Schüler bleibt mit dem neuen Schuljahr nicht alles beim Alten.

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Süßer Einstieg: Fast 30 500 Kinder werden in diesem Schuljahr in Berlin eingeschult. Für sie beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Foto: DRUBIG-PHOTO

Mehr Lehrer: Seit zwei Jahren steigen in Berlin die Schülerzahlen. Folglich wächst auch der Bedarf an Lehrern. 2 050 Stellen waren zu Beginn des Jahres neu zu besetzen. 720 davon wurden im Februar vergeben, zum Schuljahresbeginn wurden nochmals 1 500 Lehrkräfte eingestellt. Eine besondere Rolle spielen dabei die 318 Quereinsteiger. Sandra Scheeres, Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, begrüßte die Neulinge im Lehrerberuf bei einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag herzlich, betonte aber auch, dass prinzipiell nicht jeder Quereinsteiger für den Beruf geeignet sei. „Natürlich gibt es ganz klare Voraussetzungen.“ Insbesondere Grundschulen hätten jedoch mitunter sehr gute Erfahrungen mit den Quereinsteigern gemacht und würden diese oft gar nicht mehr hergeben wollen. „Ich hatte deshalb schon weinende Eltern bei mir“, so Scheeres.

Willkommensklassen: Die ersten Berliner Willkommensklassen wurden 2011 in Reinickendorf eingeführt. In den kleinen Lerngruppen erhalten Flüchtlings- und Zuwandererkinder Deutschunterricht, um anschließend in die Regelklassen integriert werden zu können. In vier Jahren hat sich viel getan: Im neuen Schuljahr werden fast 5 000 Kinder in 431 solchen Klassen betreut. Dafür wird ein Soforthilfepaket in Höhe von drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Eine weitere Neuregelung betrifft die Bildungs- und Teilhabepässe, mit denen die Kinder Leistungen wie Schulessen oder Lernförderung in Anspruch nehmen können. Bisher wurden diese Pässe vom Landesamt für Gesundheit und Soziales ausgestellt, nun übernehmen die Schulen diese Aufgabe. Scheeres distanzierte sich in diesem Zusammenhang von der Aussage des SPD-Politikers Andreas Bausewein, der für die Aussetzung der Schulpflicht von Flüchtlingskindern plädiert. „Bildung ist ein Recht der Kinder, egal woher sie kommen.“

Mehr Platz: Die steigende Schülerzahl stellte bereits in den vergangenen Jahren einige Berliner Schulen vor Platzprobleme. Um dem entgegenzuwirken, ist nun der Aufbau von zehn modularen Ergänzungsbauten geplant. Außerdem werden weiterhin groß angelegte Sanierungsarbeiten durchgeführt. Allein zwölf Millionen Euro stehen dabei für die Instandsetzung der Schultoiletten zur Verfügung.

Inklusion: Voraussichtlich werden in diesem Schuljahr 60 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf am Unterricht in inklusiven Schulen teilnehmen. Scheeres freut sich über diese Entwicklung und kündigte nächste Schritte an. Vor allem sollen Schwerpunktschulen errichtet und Lehrkräfte bei Zusatzqualifizierungen unterstützt werden.

Praxisnahe Berufs- und Studienorientierung: Weil die Auseinandersetzung mit dem späteren Berufsleben in der Schule bisher zu kurz komme, wurden Standardregelungen auf den Weg gebracht. So sind Gymnasien ab dem Schuljahr 2016/17 verpflichtet, ab der 8. Klasse mindestens eine Maßnahme zur Berufs- und Studienorientierung durchzuführen. An den Integrierten Sekundarschulen sollen außerdem speziell ausgebildete Beratungsteams eingesetzt werden. Neu ist das Konzept der Jugendberufsagenturen. Unter dem Motto „Hilfe unter einem Dach“ sollen diese Anlaufstellen von den Agenturen für Arbeit, Jobcentern, Bezirken und Schulen gemeinsam betrieben werden. Die ersten vier eröffnen Mitte Oktober.

Ausbildung: Ab dem kommenden Wintersemester werden an Berlins Unis nur noch die drei Lehrämter Grundschule, Gymnasium/Integrierte Sekundarschule und Berufsschule angeboten. Außerdem hat der Masterstudiengang nun auch für das Grundschullehramt vier Semester, sodass die Ausbildung für alle angehenden Lehrkräfte gleich lang ist. Langfristig sollen außerdem die Praxisanteile erhöht und Themenschwerpunkte wie Inklusion und Integration verpflichtend werden.

Flexibles Schulbudget: Alle öffentlichen Schulen erhalten ab 2016 ein flexibles Schulbudget von bis zu 20 000 Euro pro Jahr. Angedacht ist, dass Eltern und Lehrkräfte gemeinsam über den Einsatz des Geldes entscheiden.

Von Friederike Deichsler, 19 Jahre

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„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.