Philipp kritisiert, dass die Realität für die Olympischen Sommerspiele weggesperrt wird.
Seit Freitag werden in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele ausgetragen. In den kommenden zweieinhalb Wochen werden sich mehr als 10 000 Athleten in 42 Sportarten messen, um eine der insgesamt 306 polierten Medaillen zu gewinnen.
Während des Großereignisses soll die brasilianische Stadt glänzen. Die Armut des Landes passt da nicht ins Bild. Um sie vor der Weltbevölkerung – die eigentlich ohnehin darum weiß – zu verstecken, begannen Polizei und Armee vor vier Monaten damit, die Touristenzonen von Obdachlosen, Dreck und Kriminalität zu säubern. Etwa 24 000 Straßenkinder wurden laut einem Bericht der Vereinten Nationen aus dem Oktober vergangenen Jahres in sogenannte Auffanghäuser gesteckt, wo sie seither ohne rechtliche Grundlage festgehalten werden.
In Brasilien leben schätzungsweise acht bis zehn Millionen Minderjährige auf der Straße. Viele von ihnen kommen aus zerrütteten Familien, haben selbst mit Drogenproblemen zu kämpfen, retten sich von Tag zu Tag. Weil sich die Regierung dieser Schicksale nicht annimmt, ist es für die kriminellen Kartelle besonders leicht, diese Kinder für ihre Zwecke zu missbrauchen. So erwartet die Heranwachsenden nicht selten eine düstere Zukunft. Laut Unicef sterben in Brasilien jährlich 10 500 Kinder durch Gewaltverbrechen. Die Zahl der Kinderprostituierten wird auf 500 000 bis zwei Millionen geschätzt.
Rund 20 Milliarden Euro haben Fußball-WM und Olympia bereits gekostet. 20 Milliarden Euro, die in die Bekämpfung der Armut hätten investiert werden können – nein, müssen! Wie viele Heime, Sozialarbeiter und Schulen von dieser Summe finanziert werden könnten!
Wie andere Gastgeberländer wird auch Brasilien feststellen, dass sich die Ausrichtung der Olympischen Spiele nicht rentieren wird. Neue Schulden und eine steigende Inflation stehen einem winzigen Wirtschaftswachstum gegenüber. Wird das Land nach den Spielen glücklicher sein? Vermutlich nicht. Und das Geld, das in die Zukunft der -Jugend und somit in die Zukunft des Landes hätte investiert werden können, ist verloren.
Wenn wir schon sportliche Großereignisse wie diese wollen, dann dürfen sie nicht auf den Schultern der Ärmsten und Jüngsten ausgetragen werden. Das Rampenlicht der Stadien muss in die dunklen Gassen der Favelas scheinen. Denn erst, wenn die Weltbevölkerung hinter das künstliche Image des Landes blickt, könnte sich die Regierung zum Handeln gezwungen sehen. Wie schön wäre es, wenn Sport nicht nur Sportler bewegen würde.