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Lehrerinnen sollten Kopftuch tragen dürfen

Julia wünscht sich, dass an Schulen Individualität frei ausgelebt wird. Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen sollte abgeschafft werden.

Die Schule lehrt uns, einander zu achten. Den Heranwachsenden wird beigebracht, niemanden aufgrund eines Sprachfehlers, seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion zu diskriminieren. Wir sollen uns zu starken Individuen entwickeln, die offen nach außen tragen, was sie sind. Berliner Lehrer sollen ihre Persönlichkeit aber vor der Klassen­zimmer­tür ablegen – zumindest, wenn sie Kopftuch tragen?

Eine muslimische Lehrerin hatte sich nach abgeschlossener Ausbildung an einer Berliner Schule beworben. Die Frage, ob sie gedenke, ihr Kopftuch zur Ausübung des Lehrerberufs abzulegen, verneinte sie. Kurz darauf erhielt sie eine Absage. Die junge Frau klagte auf Entschädigung, sie fühlte sich diskriminiert. Vergangenen Mittwoch wies das Arbeitsgericht Berlin die Klage zurück.

Seit zwei Jahrzehnten wird über das Thema diskutiert. Vergangenes Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, ein Kopf­tuch­verbot sei nur dann zulässig, wenn der Schulfrieden konkret gefährdet ist. Berlin entschied sich leider dafür, weiter an seinem sogenannten Neutralitäts­gesetz festzuhalten, nach dem es öffentlich Bediensteten verboten ist, religiöse Symbole zu tragen. Schüler könnten davon beeinflusst werden, so die Begründung. Richter Andreas Ditter ließ am Mittwoch wissen, es sei ja „nicht ganz logisch“, wenn Lehrerinnen Kopftuch tragen, aber Kruzifixe in Schulen untersagt werden können.

Leider fiel dem Richter nicht auf, dass sein Vergleich ziemlich hinkt, hat ein Kreuz, das von der Klassenzimmerwand aus über den Köpfen aller Schüler trohnt, doch eine ganz andere Aussagekraft als das Kopftuch der Lehrerin. Dass wir nicht darüber diskutieren, ob Pädagogen ihre Halsketten mit Kreuzanhänger ablegen müssen, erweckt abermals den Eindruck, dass wir hier nicht über religiöse Symbolik im Allgemeinen diskutieren, sondern ganz konkret über die Vorurteile, die wir mit Kopftuch tragenden Frauen verbinden.

Das Berliner Neutralitätsgesetz sollte der Vergangenheit angehören. Wir sind nicht neutral, und das ist auch gut so. Wir sind verschieden, wir sind religiös, wir sind einzigartig. Jeder auf seine Weise. Das darf man ruhig sehen – insbesondere an Schulen, wo offen über verschiedene Lebensentwürfe und Glaubensrichtungen diskutiert wird. Nicht zuletzt hätte das Berliner Arbeitsgericht in Zeiten steigender Flüchtlingszahlen ein wichtiges Signal für mehr Toleranz setzen können. Leider wurde diese Chance versäumt.

Von Julia Heyer, 27 Jahre

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Kategorien Klartext Politik Schulpolitik

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