Auch Jugendliche sind von der Wohnungsnot in Berlin betroffen. Auf einer Brache am Tempelhofer Feld macht im Juni ein Kunst-Festival auf das Problem aufmerksam.
Von Ceren Isak, 22 Jahre
Projekt: Wohnungsknappheit und steigende Mieten galten bislang als Probleme, die nur Erwachsene betreffen. Dass auch Jugendliche darunter leiden, weil viele nicht von zu Hause ausziehen können, kein eigenes Zimmer haben, oder kein Platz mehr für Jugendfreizeiteinrichtungen ist, wird meist ausgeblendet. Das Kunst-Festival Junipark soll das ändern. Vom 3. bis 29. Juni findet es auf einer Freifläche am Sankt-Thomas-Kirchhof nahe dem Tempelhofer Feld statt. Es soll eine Plattform bieten, um über veränderte Kiezstrukturen, die Verdrängung ärmerer Menschen und Lösungsansätze zu diskutieren.
Den Grundstein für das Projekt legte das Jugendkunst- und Kulturhaus Schlesische 27. Viele Künstler schlossen sich an. Vorangegangen war in den zurückliegenden Monaten eine „Wohnwut-Kampagne“, die aus mehreren einzelnen Jugendprojekten bestand. Barbara Meyer, Leiterin der Schlesischen 27, sagt: „Sieht man sich die individuellen Probleme von Jugendlichen an, stellt man fest, dass viele auf ihre schlechte Wohnsituation zurückzuführen sind.“ Als Protest verstehen die Initiatoren ihr Projekt aber ausdrücklich nicht. Vielmehr gehe es darum, Kompromisse zu finden. So ist die Teilnahme auch kostenlos, jeder kann kommen und sich beteiligen. Am Ende soll ein gemeinsames Statement aller Jugendlichen zur Wohnungspolitik stehen. Im Zentrum des Festivalgeländes steht ein fünfstöckiges Baugerüst, geplant vom Architektenteam Raumlabor Berlin. Die Idee ist, eine Art Open-Air-Arena zu errichten. Drumherum zeigen Künstler mit politisch- und kunstinteressierten Jugendlichen und Grundschülern ein Programm mit Theaterstücken, Tanzeinlagen, Installationen und Performances.
Es geht auch darum, das Wohnungsproblem in den großen Zusammenhang zu bringen. „Einige Programmpunkte stellen historische Bezüge zur Entwicklung Berlins seit der Industrialisierung her“, so Programmleiter Sven Seeger. Neben anderen Workshops leitet er ein Urban-Gardening-Projekt, in dem es darum geht, wie man in der Stadt zum Selbstversorger wird. Wohl aktuellstes Thema des Juniparks: das Tempelhofer Feld, das vom Festivalgelände aus zu sehen ist. Projektleiterin Anne Paffenholz begrüßt das Ergebnis des Volksentscheids: „Die Senatsvorlage überzeugte nicht, weil kaum bezahlbare Wohnungen geplant waren.“ Was die verantwortlichen Politiker dazu sagen, wird man auch erfahren können – einige sind eingeladen.
Umfrage: Ausgangspunkt der „Wohnwut-Kampagne“, deren Abschluss der Junipark ist, war eine Umfrage, die das Jugend-Kunst- und -Kulturhaus Schlesische 27 im Juli 2013 startete. Ausgestattet mit einem Diktiergerät und einem Fragenkatalog waren 19 Jugendliche als Interviewer in allen Berliner Bezirken unterwegs und befragten in Zweierteams 350 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 28 Jahren. Eine der Interviewerinnen war die Studentin Anna Maier. „Ich befürchte, dass die Mieten in Berlin so stark steigen, wie in Hamburg oder München“, sagt sie.
Unter den Befragten waren Schüler, Studenten, Auszubildende und Arbeitssuchende. Ziel der Umfrage war es, herauszufinden, was junge Berliner in Bezug auf ihre Wohnsituation beschäftigt und wie sie ihre Stadt wahrnehmen. Antwortmöglichkeiten waren nicht vorgegeben. Der Umfang der gesammelten Meinungen war so groß und so individuell verschieden, dass die Initiatoren darauf verzichteten, sie nach einem allgemeinen Schema auszuwerten.
Abhängig von dem sozialen Hintergrund unterschieden sich die Meinungen sehr stark voneinander. Nach Bezirken und bestimmten Gruppen geordnet, sind aber Parallelen erkennbar. Beispielsweise ziehen Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener in Erwägung, das Elternhaus zu verlassen als Gleichaltrige mit deutschen Wurzeln. Zudem war das Interesse am Thema Wohnungsknappheit von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich groß. Beispielsweise interessierten sich Jugendliche im Stadtteil Treptow besonders wenig für die Problematik.
Anna sieht das kritisch: „Wenn wir uns nicht damit beschäftigen, könnte es passieren, dass die Menschen, die weniger Geld haben, schleichend aus der Stadt vertrieben werden, sodass wir es erst wahrnehmen, wenn es zu spät ist.“ Bewusst ist hingegen allen Teilnehmern der Umfrage, dass die Mieten stetig steigen. Verantwortlich machen die meisten von ihnen die Politiker, die in dieser Hinsicht versagt hätten. Deswegen verlangt Anna von der Politik, dass in Zehnjahresfristen die Stadtentwicklung vorgeplant wird, damit die Verantwortlichen gezwungen sind, in größeren Dimensionen zu denken. Sie kritisiert auch, dass die Ideen und Träume vieler Jugendlicher, wie man die Stadt für junge Menschen attraktiv und bezahlbar machen könnte, nicht weit genug gingen und nicht so kreativ seien, dass man mit ihnen wirklich etwas verändern könnte.