Und der Goldene Affe geht an …

Die Jury: Bereits zum sechsten Mal vergibt die Jugendredaktion der Berliner Zeitung den Goldenen Affen. Foto: RAUFELD/YVONNE VÁVRA

Berühmt-berüchtigt: Die Jugendredaktion verleiht den Goldenen Affen an die peinlichsten Personen 2012


Natürlich konnten auch in diesem Jahr wieder nicht alle Prominenten berücksichtigt werden, die den Goldenen Affen verdient hätten. Nur diejenigen, die sich die wirklich peinlichsten Verfehlungen des Jahres geleistet haben, hatten die Chance auf eine Nominierung. In diesem Sinne: Licht aus, Trommelwirbel: Der Goldene Affe 2012 geht an …





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… die Eheleute Wulff: Es ist bald schon ein Jahr her, dass Christian Wulff im Zuge einer peinlichen Affäre im Februar vom Amt des Bundespräsidenten zurücktrat. Die Monate zuvor waren von der so genannten „Salamitaktik“ geprägt gewesen, scheibchenweise wurden immer neue Vorwürfe gegen das ehemalige Staatsoberhaupt der Deutschen erhoben, von undurchsichtigen Krediten für sein Eigenheim bis hin zum Verdacht der Vorteilsnahme. Im November, als das Volk die Blamage schon fast wieder vergessen hatte, vermisste die frühere First Lady Bettina Wulff wohl diese Aufmerksamkeit. Sie brachte ein Buch heraus, bei dessen Lektüre man wohl glauben sollte, es gehe in diesem Staat keinem Menschen schlechter als ihr. Für 596 Tage in einem Amt, dessen Christian Wulff nicht würdig war, und 200 Seiten schmalztriefenden Selbstmitleids von Bettina Wulff verdient das einstige First Couple des Landes den Goldenen Affen wahrhaftig. (Laudatorin: Josephine Valeske, 16 Jahre)


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… Lothar Matthäus: Der Weltfußballer von 1990 war auch in diesem Jahr in Höchstform – zumindest wenn es um die Produktion von Schlagzeilen geht: Zur Abwechslung langweilt er uns dieses Jahr jedoch nicht mit spontanen Scheidungen und noch spontaneren Hochzeiten, sondern überraschte nicht nur mit einem Best-(not)-seller, der den originellen Titel „Ganz oder gar nicht“ trägt und Aufschluss über „Loddars“ Lebensweg gibt, sondern auch mit einer TV-Soap: „Lothar – immer am Ball“, ausgestrahlt von Vox zur besten Sendezeit um 23 Uhr. In dieser essenziell wichtigen Sendung vollbringt er unter anderem das Kunststück, Joghurtbecher in seinem Kühlschrank zu schier unüberwindbaren Viererketten aufzustellen. Übrigens wird er in seinen diesjährigen Interviews nicht müde zu betonen, dass er dies auch mit Spielern der Fußballbundesliga tun könnte. Allerdings ist die TV-Soap nicht die beste Referenz für ein baldiges Engagement bei Dortmund, Bayern und Co. Und zugegebenermaßen ist auch der Goldene Affe nicht die Meisterschale. Wir gratulieren trotzdem. (Laudator: Paul Engelschalt, 16 Jahre)


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… Ursula Sarrazin: Eigentlich hatte die Jury den Namen Sarrazin bereits ad acta gelegt. Nachdem Thilo Sarrazin 2008 seinen ersten Goldenen Affen gewann und 2009 eine zweite Trophäe für sein Lebenswerk erhielt, übertraf er sich 2010 mit der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ selbst. Die Jury beschloss daraufhin, Sarrazin für den Preis zu sperren, da sie befürchtete, dass sie ihn mit jeder weiteren Verleihung zu immer neuen Höchstleistungen auf den Gebieten Taktlosigkeit und Zynismus anspornen würde. Nun hat die Familie Sarrazin einen Weg gefunden, den Beschluss der Jury auszuhebeln: Thilo Sarrazins Frau Ursula Sarrazin debütierte gegen Ende des Jahres mit ihrem ersten Buch „Hexenjagd – Mein Schuldienst in Berlin“. An Selbstgerechtigkeit und Zynismus steht es den Werken ihres Gatten in nichts nach. So unterstellt die Grundschullehrerin nicht nur, ohne Belege zu liefern, dass Beschwerden von Eltern über sie mit dem Buch ihres Mannes zu tun hätten. Sie beklagt auch, dass viele ihrer Lehrerkollegen in Berlin zu wenig „in ein klassisches bürgerliches Umfeld integriert“ seien. Merke: Ein guter Lehrer zeichnet sich dadurch aus, dass er mit Ehepartner und 1,5 Kindern in Westend lebt. Für so viel Spießigkeit sehen wir uns gezwungen, doch wieder einem Mitglied der Familie Sarrazin einen Goldenen Affen zu verleihen. Respekt, das hätten wir nicht gedacht. (Laudator: Vivian Yurdakul, 23 Jahre)


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… Thomas Gottschalk: Zum Glück wird der Goldene Affe nicht wie der Oscar in bestimmten Kategorien vergeben. Denn dann wären die unzweifelhaften Gewinner des Preises für den würdelosesten Abgang dieses Jahres natürlich die Wulffs (siehe oben). Bei der Verleihung unserer Trophäe können mehrere Meister dieser Disziplin ausgezeichnet werden, und deshalb darf sich in diesem Jahr auch der Mann freuen, an den sich ältere Leser vielleicht noch als den einstigen Moderator der bekanntesten Fernsehsendung Deutschlands erinnern werden. Statt nach der Aufgabe der Moderation von „Wetten, dass …“ den wohlverdienten Ruhestand zu genießen, beschloss Thomas Gottschalk zunächst, sich an einer Talksendung im Vorabendprogramm mit dem Titel „Gottschalk live“zu versuchen. Dass das der Anfang vom Ende war, lag nicht an dem unvorteilhaften Sendeplatz, sondern an dem Moderator, der schlecht auf seine Gäste vorbereitet war und viele seiner Versprechen, etwa nach der Sendung regelmäßig mit seinen Zuschauern zu chatten, einfach nicht wahr machte. Als die Sendung Mitte des Jahres abgesetzt wurde, wünschte man Gottschalk, er würde den Absprung in den Ruhestand doch noch schaffen. Es kam anders und Gottschalk ganz unten an: als Juror der RTL-Castingshow „Das Supertalent“. Die Show ist inzwischen abgedreht und RTL fragte auf seiner Homepage entsetzt: „Geht Gottschalk jetzt etwa in Rente?“ Die Antwort: Eher nicht. Er könne sich vorstellen, auch in der nächsten Staffel von „Das Supertalent“ wieder in der Jury zu sitzen. Dafür gibt es einen hochverdienten Goldenen Affen, der auch eine hübsche Deko für das Juroren-Tischchen wäre. (Laudator: Patrick Schmitt, 19 Jahre)


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… Günter Grass: Wer kennt das nicht: Man ist Mitte achtzig, die Verleihung des letzten Literaturnobelpreises, den man bekommen hat, liegt auch schon wieder mehr als zehn Jahre zurück und das letzte Mal hat sich die Öffentlichkeit für einen interessiert, als man in seiner Autobiografie nach sechzig Jahren des Schweigens enthüllte, im Dritten Reich Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Was liegt da näher, als an diesen letzten Aufmerksamkeits-Höhepunkt anzuknüpfen, indem man ein Gedicht schreibt, in dem man behauptet, Israel gefährde den Weltfrieden. Das muss nicht stimmen, das Gedicht muss literarisch auch nicht anspruchsvoll sein, Hauptsache ist, dass endlich wieder einmal Journalisten bei einem anrufen oder an die Tür klopfen. Für den durchschaubarsten Versuch, dafür zu sorgen, dass er ein Foto von sich selbst sieht, wenn er morgens die Zeitung aufschlägt, können wir Günter Grass zwar keinen zweiten Nobelpreis verleihen (wollen wir übrigens auch gar nicht), einen Goldenen Affen aber allemal. (Laudator: Vivian Yurdakul, 23 Jahre)

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Kategorien Politik

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