Kriegsverbrecher mit facebook jagen?

Von Hannah Vahlefeld, 19 Jahre und Phuong Duyen Tran, 16 Jahre


Binnen Tagen verbreitete sich das Video „Kony 2012“ der Non-Profit-Organisation „Invisible Children“ im März über das Internet weltweit. Ziel der Organisation ist die Festnahme des ugandischen Rebellenführers Joseph Kony, der wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten und weiteren Verbrechen einer der meistgesuchten Verbrecher der Welt ist. In dem Video ruft der Gründer der Organisation, Jason Russell, dazu auf, am 20. April Plakate, die man kostenlos bestellen kann, in allen Ländern der Erde öffentlich aufzuhängen, um der Jagd auf Kony Schub zu geben. Doch das Video ist umstritten. Kritisiert werden die emotionalisierte Machart und der Umstand, dass „Invisible Children“ ein Gros seiner Spenden für teure Öffentlichkeitsarbeit wie das Video verwendet.

Hannah Vahlefeld: "Das Internet darf zur Verfolgung eines Verbrechers genutzt werden." Foto: privatPRO: Mehr als 100 Millionen Mal wurde das Video über den Kriegsverbrecher Joseph Kony seit seiner Veröffentlichung aufgerufen. Seitdem spaltet es Internetnutzer und -experten. Zwar lässt sich darüber streiten, ob es vertretbar ist, sich und sein Kind so zu inszenieren, wie es „Invisible Children“-Gründer Jason Russell tut. Allerdings gelang es ihm so, den weithin unbekannten Kony in den öffentlichen Fokus zu rücken. Das beweist: Die polarisierende Wirkung des Videos führt zum Erfolg.


Viele Jugendliche folgen interessiert dem Geschehen. Kein Wunder, geht es doch darum, mitzuwirken. Der Vorwurf der Kritiker, die User würden sich durch das bloße Verbreiten des Videos im Internet ein gutes Gewissen herbeiklicken, ohne wirklich etwas gegen die Probleme in Uganda zu tun, ist voreilig. Schließlich erfordert politisches Bewusstsein zunächst Neugier und Begeisterung für eine Idee. Warum also nicht die neue mediale Vernetzung nutzen und Kony mithilfe von Facebook und Co fassen? Hoffnung gibt es bereits: Nach Erscheinen des Videos beschloss die Afrikanische Union, militärische und humanitäre Helfer nach Zentralafrika zu schicken.


Phuong Duyen Tran: "Mit dem Verbreiten eines Videos ist noch nichts erreicht." Foto: privat

CONTRA: Joseph Kony ist ein Verbrecher. Eine Organisation mit dem Ziel, ihn zu finden und festzunehmen, hat ihre Berechtigung. Kritisches Denken ist dennoch geboten, wenn man sich „Kony 2012“ ansieht.


„Kony 2012“ ist kein Video, das umfassend über die Probleme in Uganda informiert. Vielmehr mobilisiert es, Teil einer „Bewegung“ zu werden. Viele Stellen des Videos, wie der sehr persönliche Anfang, der die Geburt des Sohnes von Jason Russell zeigt, sind berührend, aber kaum informativ. Auch die Instrumentalisierung von Russells kleinem Sohn, der Kony als „Bad Guy“ und seinen Vater als „Good Guy“ festlegt, ist fragwürdig. Wer aber das Video kritisiert, gilt schnell als kaltherzig. Die, die es im Netz weiterverbreiten, verschaffen sich damit erschreckend viel Genugtuung. Zur tatsächlichen Geldspende lassen sich die wenigsten bewegen. Mit der umstrittenen Frage, inwieweit die Spenden wirklich bei der Jagd auf Kony helfen, muss sich so kaum einer befassen. Es ist zu fürchten, dass der Hype um „Kony 2012“ so schnell verpufft, wie er kam. Aber das wird sich am kommenden Freitag, dem 20. April zeigen.

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