Lasst Kreuzberg am Leben


von Vivian Yurdakul, 20 Jahre


Jugendreporter Vivian meint: „Wer es ruhig mag, soll nach Spandau ziehen." Foto: privat

Vorweggeschickt: Nein, ich feiere nicht jeden Abend auf der Admiralbrücke die Nächte durch. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal genau, ob ich die Brücke ohne die Hilfe eines Stadtplans wiederfinden würde. Immerhin dürften aber die meisten Zeitungsleser in Berlin wissen, dass sie in Kreuzberg liegt. Und dass sie zu den beliebtesten Partymeilen der Stadt gehört. Und dass das den Anwohnern überhaupt nicht gefällt. Die wollen nämlich gerne ihre Ruhe haben – und sollen sie nun auch bekommen. Denn vergangene Woche erklärten die Mediatoren, die monatelang versucht haben, zwischen Anwohnern und Partygästen zu vermitteln, ihre Verhandlungen um eine für beide Seiten verträgliche Lösung für gescheitert. In Zukunft wird die Polizei dafür sorgen, dass die Partys auf der Admiralbrücke spätestens 22 Uhr vorbei sind.


Nun gelten die Bewohner dieses Teils von Berlin nicht eben als konservativ. Im Gegenteil. In den Straßen um die Admiralbrücke sprießen coole Kneipen, Clubs und alternativ angehauchte Cafés, die veganen Café Latte anbieten, nur so aus dem Boden. Wer hierher zieht, weiß, dass er in einen Szenebezirk zieht, mehr noch, er zieht meist genau aus diesem Grund her. Und sollte sich deshalb auch nicht beschweren, wenn es nachts mal ein wenig lauter wird. Man kann nicht das Essen ohne den Abwasch haben.


Es ist ja nicht so, als gebe es für Ruhebedürftige keinen Platz in dieser Stadt. Nur kann man eben, wenn man in Spandau oder Reinickendorf lebt, nicht mehr mit einer Fünf-Zimmer-Altbau-Maisonette-Wohnung im Szenebezirk prahlen. Man müsste sich eingestehen, dass man zu alt geworden ist. Für die Szene. Und ehrlich, mehrheitlich ist es doch die Generation der 68er, die sich in Kreuzberg angesiedelt hat: Die, die sich heute über den Krach beklagen, sind doch in vielen Fällen die, die früher einmal selber über die „Bullen“ geschimpft haben, die nachts um drei vor ihrer Haustür standen, weil die Musik zu laut war. Und heute jammern sie um Punkt zehn Uhr abends bei der Polizei, weil ein paar fröhliche junge Menschen vor ihrer Haustür feiern.


Wie gesagt: Ich gehöre eigentlich nicht zu denen, die auf der Admiralbrücke feiern. Aber wenn die Anwohner dort sich in Zukunft nicht ein wenig toleranter verhalten und weiterhin versuchen, Kreuzberg das Prenzlauer-Berg-Schicksal angedeihen zu lassen, werde ich doch dazu übergehen. Und ich werde besonders laut Party machen.

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Kategorien Politik

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