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Warum ich kein Make-up trage – und es trotzdem gut finde, sich zu schminken

Schminken oder nicht schminken, das ist eine immer noch aktuelle Frage. Mara hat sich mit beiden Seiten auseinandergesetzt. Ein Kommentar

Ich war in der achten Klasse, als ich angefangen habe, mich zu schminken. Kurze Zeit später habe ich das Haus nicht mehr verlassen ohne nicht wenigstens ein bisschen Mascara und Puder aufzulegen. Später kam dann die roter Lippenstift-Phase, ich war in der Lage, mit einem Concealer umzugehen und außerdem im Besitz einer Lidschattenpalette und Rouge.

Um ehrlich zu sein: Das war es auch schon mit meinen Make-up-Skills. Lidstriche ziehen konnte ich nie und Contouring oder die perfekten Instagram-Augenbrauen wurden erst zum Hype, als ich das mit dem Schminken während des Abiturs schon wieder größtenteils aufgegeben hatte.

In letzter Zeit sehe ich immer wieder Posts, in denen Männer – und manchmal auch Frauen – Sticheleien schreiben wie „An die Damenwelt: ungeschminkt seht ihr viel hübscher aus!“ oder „Hinter der dicken Make-up-Schicht konnte ich überhaupt nichts erkennen.“ Ich, mit meinem unbearbeiteten Gesicht, könnte mich jetzt wunderbar idealisiert fühlen. Stattdessen machen mich diese Beiträge regelmäßig wütend. Zum einen finde ich es abgehoben, davon auszugehen, Frauen würden sich nur schminken, um dem anderen Geschlecht zu gefallen – schon mal darüber nachgedacht, dass man das auch für sich selbst machen kann? Zum anderen leben wir doch wohl in einer Gesellschaft, in der jeder aussehen darf, wie er möchte, und gerade hier in Berlin hat man in der U-Bahn doch schon mehr gesehen als Bronzer und Highlighter.

Es geht außerdem nicht immer darum, das naturgegebene Gesicht inklusive Pickel und zu schmalen Lippen zu verstecken. Es ist ein Weg, sich selbst zu inszenieren und das Äußere dem Inneren anzupassen. Wie ein abwaschbares Tattoo oder meine Flechtfrisuren, für die ich übrigens auch noch nie kritisiert wurde.

Natürlich gibt es auch noch Mädchen und Frauen, die nicht selbstbewusst genug sind, um ohne Wimperntusche das Haus zu verlassen. Das kann man schade finden, aber Vorwürfe sind sicher nicht die beste Lösung, um ihnen Souveränität einzuflößen. Mir ist auch schon ein Mann untergekommen, der einen Bart trägt, um nicht wie 15 auszusehen, und das soll er ruhig machen. Frauen haben aber nun mal keine Gesichtsbehaarung, um die Kinnregion zu kaschieren, also können die pubertär anmutenden Pickel leider nur mit dem Abdeckstift vertuscht werden.

Für mich spielt Make-up nur noch eine kleine Rolle, weil ich mein natürliches Aussehen zwar nicht komplett, aber immerhin zu einem gewissen Grad akzeptiert habe und nicht wirklich das Bedürfnis verspüre, über mein Gesicht irgendetwas auszusagen. Wenn meine Schwester mal wieder ihre Augen in Kajal taucht und sich in ihr Gothic-Outfit wirft, okay, passt. Aber ich habe einfach nicht das Gefühl, irgendeinen Teil meiner Persönlichkeit durch Make-up nach außen kehren zu müssen. Ausschlaggebend (nicht wortwörtlich!) ist vielleicht auch, dass ich ziemlich reine Haut habe und morgens immer so lang zum Frühstücken brauche, dass ich fürs Abpudern keine Zeit mehr habe. Außerdem bin ich faul und komme mit Abschmink-Utensilien nicht klar – aber das ist eher die weniger reflektierte Seite des Ganzen.

Gelegentlich, höchstens einmal im Monat, schminke ich mich noch. Für besondere Anlässe oder Fotos, oder einfach an Tagen, an denen der Blick in den Spiegel mich grundlos deprimiert. Aber das ist auch okay. Soll doch jeder aussehen, wie er will.

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