Prominente müssen der Presse ständig Tausende Fragen beantworten. Die Jugendredaktion dreht den Spieß um: Wir geben den Prominenten Antworten – auf alle Fragen dieser Welt.
Jan Wagner fragt: „Schreibt oder lest ihr Gedichte, und ist es euch unangenehm, das zuzugeben? Beziehungsweise: Wann habt ihr damit aufgehört?“
Die Jugendredaktion antwortet: Lieber Jan, nach den obligatorischen Gedichtkontrollen fand mein erster intensiverer Kontakt mit Lyrik in der neunten Klasse statt. An Goethes „Willkommen und Abschied“ übten wir interpretieren, mühsam wurde jede Zeile untersucht und Versmaße und rhetorische Figuren bestimmt. Begeisterung für das Gedicht an sich hat das nicht geweckt. Zwei Jahre später musste mein kleiner Bruder ebendieses Gedicht lernen und ich stellte erstaunt fest, dass ich den Text noch immer problemlos aufsagen konnte. Ohne auf Silbentrennung und Betonungen achten zu müssen, fand ich ihn gar nicht mehr so schlecht. „Willkommen und Abschied“ ist bis heute mein Lieblingsgedicht. Seit meinem Studium befasse ich mich noch seltener mit der Dichtkunst – nicht, weil ich mich nicht dafür interessiere, sondern weil kommunikationswissenschaftliche Theorien selten in Gedichtform verfasst wurden.
Ich kaufe mir keine Gedichtbände und schreibe auch nicht. Trotzdem freut es mich, wenn ein Gedicht meinen Weg kreuzt. Es ist mir auch nicht unangenehm, das zuzugeben. Ohnehin sind Gedichte nicht uncool geworden. In der Schule vielleicht, aber da ist doch irgendwie alles peinlich, was mit Gefühlen zu tun hat. Junge Erwachsene interessieren sich durchaus dafür, ihre Gedanken in dieser Form auszudrücken, denken wir an Poetry-Slams. Sie geben den Gedichten ein modernes Gesicht. Wer sich dem verschließt, ist selber schuld.