Pompös, kitschig und ein (Alb)Traum in Pastell

Foto: B. Stöß, Deutsche Oper Berlin
Foto: B. Stöß, Deutsche Oper Berlin

Tschaikowskys‘  Nussknacker ist für mich der Inbegriff des klassischen Balletts und somit überhaupt nicht mein Ding. Als Kind habe ich mich einige Stunden lang selbst als Ballerina versucht, die potentielle Tanzkarriere aber sehr schnell zu meinen inneren Akten gelegt. Mir war das alles viel zu mädchenhaft. Zu rosa und zu viele Strumpfhosen.

 

Vor ein oder zwei Jahren schleppte mich eine Freundin mit ins Ballett. Die moderne Choreographie  von Forsythe änderte meine Meinung. Klare Linien, Schwarz-Weiß-Kontraste und von Kitsch keine Spur.

 

In der Vorweihnachtszeit hat sich die Gelegenheit geboten meine Vorurteile bezüglich klassischem Ballett auf die Probe zu stellen. Ich habe also meinen Mut gefasst und mir den Nussknacker in der Deutschen Oper angeschaut.

 

Die Vorstellung ist ausverkauft. Menschen unter 30 sehe ich unter den Zuschauern nicht. Das liegt wohl an den Preisen. Für ein Plätzchen in den nüchternen Hallen des 60er-Jahre-Baus kann man schon mal 90 Euro investieren. Das Bühnenbild ist, ich habe es befürchtet, bonbonfarben und reich verziert aber, ich muss es zugeben, beeindruckend. Ein riesiger Tanzsaal in herrschaftlichem Ambiente ist die Kulisse für den Weihnachtsabend im elitären Kreise. Kleine und große Tänzer hüpfen mit Dauergrinsen über die Bühne. Jungs im Strampelanzug bekommen Musikinstrumente und Waffen geschenkt, Mädchen in feinen Kleidchen Puppen, es lebe die traditionelle Rollenverteilung. Zugegeben, anfangs fällt es mir schwer meine Gedanken auf das Geschehen zu richten, mich auf das liebliche Spektakel einzulassen. Wie dünn kann man eigentlich sein? Muss jedes Mädchen so eine blöde Puppe bekommen? Aber nach und nach nimmt mich die Geschichte mit. Spätestens nach dem Auftritt der kleinen Mäuschen, die Clara ins zauberhafte Reich des Nussknackers schicken, blende ich die Nörgeleien meiner inneren Stimme aus. Ich bewundere den Tanz im Zauberwald, die exotischen Tänzer am Hofe der Königin und die Zeit fliegt dahin. Am Ende der Vorstellung muss ich zugeben: Schön war es.

 

Habe ich meine Vorurteile widerlegt? Nicht so richtig. Ich bin mir sicher, ein Dauergast im klassischen Ballett werde ich nicht. Aber wenn man das Stück im Kontext seiner Zeit sieht und sich einfach einmal darauf einlassen kann, etwa so, wie man an Weihnachten einen alten Märchenfilm anschaut, dann kann ich nur zu sagen: Schön. Kitschig, aber schön.

 

(Von Julia Schattauer, 23 Jahre)

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Kategorien Kultur

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