Ein Lokal in Friedrichshain: Keine Woche hat die Sperrstunde gehalten.

Sperrstunde in Berlin gekippt – ein sinnvolles Urteil?

Seit heute Mittag ist die Berliner Sperrstunde Geschichte. Keine Woche hatte sie Bestand: Vergangenen Samstag in Kraft getreten, wurde sie heute vom Berliner Verwaltungsgericht gekippt. Ist das angesichts steigender Infektionszahlen sinnvoll?

Von Moritz Tripp

Insgesamt elf Betreiber von Bars und Clubs hatten gegen die Sperrstunde geklagt. Die Maßnahme, nach der sie ihre Lokale um 23 Uhr schließen müssten, sei vom Senat nicht überzeugend begründet worden. Wenn die Gastronomie zu so früher Stunde ihre Pforten schließe, würden junge Menschen das Feiern und Trinken zudem an andere, private Orte ohne kontrollierbare Hygienemaßnahmen verlegen. Das Gericht gab der Klage nun statt. Vorerst gilt es nur für die elf Kläger, doch die Sperrstunde ist mit dem Urteil de facto abgeschafft.

Ziel der Sperrstunde war es, das Berliner Nachtleben herunterzufahren, um die sprunghaft steigenden COVID-19-Infektionen einzudämmen. Mit der Entscheidung war der Berliner Senat vorangeprescht, Bund und Länder hatten sich an Berlin ein Beispiel genommen und die Sperrstunde gerade erst als bundesweites Mittel im Kampf gegen die Pandemie gebilligt. Ironisch: Nach dem Zweiten Weltkrieg war Berlin eine der ersten Städte, in der die Sperrstunde abgeschafft wurde. Auch damals folgten andere Städte und Gemeinden (im Westen) dem Beispiel der Großstadt und schafften sukzessive die zu dieser Zeit noch übliche Sperrstunde ab.

Alkoholausschankverbot bleibt

Das Gerichtsurteil mag für viele junge Menschen nun erstmal als frohe Botschaft kommen. Dennoch hätte die Sperrstunde gerade im Angesicht steigender Infektionszahlen und der kalten Jahreszeit unter bestimmten Umständen Sinn ergeben. Wer in den vergangenen Wochen etwa einen abendlichen Spaziergang durch Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg unternommen hat und dabei in die ein oder andere Bar gelugt hat, weiß, dass es hier zum Teil zugeht, als existiere die Pandemie nicht. Volle Lokale ohne Abstands- und Hygieneregelungen, in denen selbst das Personal keine Masken trägt, gibt es leider immer noch. Eine Sperrstunde ab 23 Uhr könnte zumindest diesem Treiben Einhalt gebieten. Zumal angemerkt werden muss, dass auch ohne die Sperrstunde das Alkoholausschankverbot ab 23 Uhr bestehen bleibt: Viele Kneipen und Bars werden sich dadurch wohl automatisch leeren.

Eigenverantwortung gefragt

Letztendlich zeigt das Beispiel der Berliner Sperrstunde, dass Bund und Länder nach wie vor nur bedingt ins öffentliche Leben eingreifen können. Das heißt, dass – besonders im bevorstehenden Winter – jede und jeder weiter eigenverantwortlich handeln muss. Auch wenn es rechtlich gesehen in Ordnung ist, sollte man es sich zweimal überlegen, ob man nun wirklich in eine volle Kneipe muss, in der Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können.

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