Es muss nicht immer die abgeranzte Kneipe sein. Erhöht mal eure Ansprüche!

Berlins Nachtleben wird oftmals als absolut vielfältig und verrückt beschrieben, was für so manchen Klub der Hauptstadt natürlich auch stimmt, auf die Barszene jedoch nur bedingt zutrifft. Schummriges Licht, im Hintergrund tönende Indie-Folk-Rock-Musik und ein Mobiliar, das aussieht, als käme es geradewegs vom Sperrmüll: So oder so ähnlich kann man wohl mit einem Augenzwinkern jede zweite Kneipe in Berlin beschreiben. Zum Glück trotzen immer wieder einige mutige Barbesitzer diesem Trend und ziehen ihr eigenes Ding durch. Iavor Zvetanov ist einer von ihnen.

Der gebürtige Bulgare eröffnete 2011 die Kindl Stuben in der Neuköllner Sonnenallee 92, die schon früh durch ihren süddeutschen Stil auffiel. Die interessante Mischung aus bayrischer Wirtshausmentalität und Berliner Chic zieht sich von der Außenfassade über das Interieur bis in die Küche. Mit Passauer Bier, Maultaschen und Topfenstrudl verspricht die Speisekarte eine kulinarische Reise durch das Schwabenland, Bayern und Österreich. Dazu gibt es bulgarischen Wein und Schnaps aus Iavors Heimat, Multikulti eben.

„Wir wollen einfach eine nette, ungezwungene Atmosphäre schaffen, in der sich jeder wohlfühlt.“

Abgesehen vom Essen lädt auch das urige Ambiente dazu ein, Platz zu nehmen und es sich einfach gut gehen zu lassen. Die Wände sind im Backsteinlook gestrichen, der Schankraum wirkt aufgrund der Liebe zum Detail klar und strukturiert. „Wir wollen einfach eine nette, ungezwungene Atmosphäre schaffen, in der sich jeder wohlfühlt“, erzählt Iavor und man muss ihm einfach Recht geben. Das Preisniveau ist etwas höher als anderswo aber nichtsdestotrotz muss man auch als Student nicht fürchten, pleite zu gehen – ein Bier kostet 3,40 Euro, was absolut okay ist. Nette Kellner, ein flotter Service und eine gute Qualität tun ihr Übriges, um auch den stärksten Nörgler schnell zur Ruhe kommen zu lassen.

Das Publikum ist erfrischend durchmischt und somit eine echte Abwechslung zur klassischen Studentenbar und ihrem älteren Pendant, der Schultheisskneipe. Genau das ist Iavor besonders wichtig: „Vom Araber, der um elf Uhr seinen Kaffee trinkt bis zu Familien, Studenten, Schauspielern und Rentnern ist hier alles dabei, das spricht für sich“.

Mehr Kunst als Gesang – und doch spannend

Wer jedoch hofft, den angekündigten Berliner Chic in einer Ansammlung zerschlissener Vintage-Sofas vorzufinden, wird enttäuscht. Einzig zwei große Ohrensessel neben der Bar markieren einen kleinen abgeschirmten Bereich, der sich perfekt für einen Kaffeeklatsch am Nachmittag eignet oder um ganz nebenbei die vorbeieilenden Menschen zu beobachten. Der Rest des Mobiliars besteht aus abgegriffenen, relativ einheitlich aussehenden Tischen und Stühlen, die wohl noch aus den 60ern stammen und den Retro-Fans unter den Gästen Rechnung zollen. Höhepunkt der Woche ist das Open-Microphone-Event: Jeden Sonntag um 21 Uhr können Hobbymusiker und Poetry Slammer zwei bis drei ihrer Eigenkreationen zum Besten geben, unentgeltlich, aber dafür mit Hingabe, Begeisterung und ohne Konkurrenzdruck. Verschiedenste Genres wechseln sich mit Vorstellungen ab, die mehr Kunst als Gesang sind, doch genau das macht es ja so spannend. Mit Popcorn frei Haus, gutem Bier und gemütlicher Stimmung ist das OpenMic daher immer wieder die perfekte Einstimmung auf eine neue Woche.

Foto: Kindl Stuben

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