Ein Hase kommt selten allein.
Von Corinne, 17 Jahre
Der Weihnachtsabend, an dem meine Eltern mir den kleinen, roten Stoffhasen schenkten, sollte meine ganze Kindheit prägen. Denn von diesem Tag an konnte ich weder ohne ihn essen noch schlafen oder sonst etwas tun.
Ich fing an zu weinen, wenn ich meinen Kuschelhasen nicht finden konnte. Wenn er gewaschen wurde, saß ich vor der Waschmaschine, bis der Hase sauber und trocken war und ich ihn endlich wieder in meine Arme schließen konnte. Sogar das Haus zu verlassen wurde zu einer Tortur, weil ich den Hasen nicht zu Hause lassen wollte, aber meine Eltern ihn auch nicht überallhin mitschleppen wollten. Ich liebte das Stofftier so abgöttisch, dass es für sie nur eine Lösung gab: Es mussten Ersatzhasen her, – für den Kindergarten, für zu Hause, wenn der andere gerade gewaschen wurde, für Besuche bei Oma…
Tatsächlich sah meine Mutter eines Tages bei einem Besuch im Kaufhaus exakt die gleichen Stoffhasen in verschiedenen Farben im Schaufenster. Sie schnappte sich kurz entschlossen eine Handvoll und kaufte sie. Seit diesem Tag lagen überall in unserer Wohnung und an anderen Orten, an denen ich mich regelmäßig aufhielt, wie dem Kindergarten, Kuschelhasen herum. Ich akzeptierte die Ersatzhasen, hatte aber immer nur einen im Arm, wenn ich mit Daumen im Mund einschlief – den kleinen, roten Stoffhasen, den ich zu Weihnachten bekommen hatte.
Das endete vor meiner Einschulung, als meine Mutter ihn „zurück zum Weihnachtsmann“ schickte, weil ich zu alt für ihn sei – für ihn und für das Ritual des Daumenlutschens, das sich mit ihm eingebürgert hatte. Aber so leicht vergisst man seine erste große Liebe nicht.