Die Profiboxerin Susianna Kentikian führte mit Mädchen ein Anti-Gewalt-Training durch
Von Gülsün Cakmak, 16 Jahre
„Ob ich Angst vor Männern habe? Männer haben Angst vor mir.“ Applaus brandet in der Aula der Hedwig-Dohm-Oberschule in Alt-Moabit auf. Die fast 50 Schülerinnen und ihre Lehrer klatschen begeistert, als die Profiboxerin Susianna Kentikian diesen Satz am Freitag voriger Woche auf der Abschlussveranstaltung des Anti-Gewalt-Trainings TESYA sagt. Sie ist ein Vorbild für die 12- bis 15-jährigen, ihre Stärken wünschen sich viele: Kraft, Selbstbestimmung, Disziplin.
Das Projekt TESYA bot den Mädchen seit August 2012 zehn Trainingssitzungen von je 1,5 Stunden, in denen sie lernen konnten, mit Wut und Ärger umzugehen. Sie trainierten, wie man sich in Selbstbeherrschung übt, Provokationen ignoriert und Wünsche und Ziele formuliert.
Das Training wurde von Uli Streib-Brzic und Christiane Quadflieg vom Institut für genderorientierte Gewaltprävention in Kooperation mit dem Vertreter des Quartiersmanagements von Moabit Fadi Saad geleitet. Daneben fanden begleitende Gespräche mit Eltern und Pädagogen statt.
Die meisten Anti-Gewalt-Projekte richten sich an Jungen. Fadi Saad: „Wir fragten uns: Warum gibt es so etwas nicht auch für Mädchen?“ Im Alltag vieler Mädchen sei Gewalt vorhanden, aber nicht immer so sichtbar wie bei Jungen. Lästern, verbale Gewalt und die Androhung von Schlägen gehören für viele Mädchen in Berlin mittlerweile zum Schulalltag. Dazu kommen der Druck, den viele Eltern aufbauen, indem sie von ihren Töchtern besonders gute Schulleistungen erwarten, die Bevormundung der Familien, eigene hohe Erwartungen an sich selbst und Versagensängste. Dieser ständige Druck von allen Seiten kann dazu führen, dass die Mädchen ihre Ziele aufgeben, frustriert und aggressiv werden. Ihre Agressionen lassen sie dann Stück für Stück im Alltag heraus. Das Anti-Gewalt-Projekt soll ihnen helfen, besser damit umzugehen und sich der Gründe dafür bewusst zu werden.
Die Teilnehmerinnen des Projekts durften die Abschlussveranstaltung nicht nur selbst moderieren, sondern der Boxerin auch Fragen stellen – unter anderem zu ihrer Lebensgeschichte. Wie viele der Mädchen hat auch Kentikian nicht deutsche Wurzeln. Ihre Eltern kamen mit ihr als Asylbewerber aus Armenien nach Deutschland, als sie fünf Jahre alt war.
Nach einer Vorführung verschiedener Boxtechniken und einem Live- Kommentar zu einem ihrer Kämpfe sprach Susianna Kentikian noch länger mit den Mädchen, ermutigte sie, ihren Weg zu gehen, sich Respekt zu verschaffen, aber auch andere respektvoll zu behandeln. Viele der Mädchen holten sich danach ein Autogramm von der Boxerin und zeigten sich beeindruckt: „Die ist voll krass. Ich will mir auch Ziele setzen und so erfolgreich werden.“ Den Eindruck, dass die Mädchen Kraft aus dem Training und dem Gespräch schöpfen konnten, bestätigte auch Susianna Kentikian: „Ich denke, sie werden ihren eigenen Weg meistern.“