von Josephine Valeske, 15 Jahre
Mein Vergehen ereignete sich in den ersten Monaten meiner bis heute nicht sonderlich erfolgreichen Pianistenkarriere. Damals war ich acht Jahre alt und hatte begonnen, Klavierunterricht zu nehmen. Zu Weihnachten bekam ich ein elektronisches Klavier und entdeckte schnell die Vorzüge des technischen Fortschritts in Form einiger wunderbarer Funktionen: Man konnte Lieder aufnehmen und wieder und wieder abspielen. So kam es, dass ich mich nicht wie einst Mozart mit stundenlangem Tastendrücken abplagte, sondern jedes Stück, das ich üben sollte, nur einmal einspielte.
Dann, während das Wunderding die Aufnahmen in unterschiedlicher Reihenfolge immer wieder abspielte, setzte ich mich gemütlich in eine Ecke und las ein Buch. Meine Eltern, die vom Wohnzimmer aus zuhörten, waren erfreut über meine Ausdauer und sahen mich wohl schon weltberühmt auf einer Bühne sitzen. Ich hingegen verbrachte viele schöne Stunden damit, meine Gedanken in fremde Welten schweifen zu lassen, begleitet von „Alle meine Entchen“ und ähnlichen Meisterwerken.
Dann kamen meine Eltern auf die Idee, den Wohnsitz des geschätzten Instruments ins Wohnzimmer zu verlegen. Seitdem ist es vorbei mit dem ungestörten Lesen. Vielleicht ist es auch gut so, denn sonst wäre ich nie über „Alle meine Entchen“ hinausgekommen. Liebe Mama, lieber Papa, Entschuldigung für den faulen Start.
An alle, die es angeht: Bitte haben Sie Nachsicht mit den hier Geständigen. Sie wurden von redaktioneller Seite mit Nachdruck aufgefordert, Lug und Betrug einzuräumen. Ihr Mut verdient eine ihnen gewogene Haltung bei der Aussprache.