Wo der Westen grinst


Auf eigene Faust hat sich Jugendreporter Paul Arbeit in einem Waisenhaus in Tansania organisiert. Erste Eindrücke


von Paul Esra Martin, 18 Jahre


Als meine Freundin und ich aus dem Taxi steigen, kommen von überallher Leute, die sich unseres Gepäcks annehmen wollen. Weder verstehen wir sie, denn kaum jemand spricht englisch, noch wissen wir, welcher der wartenden Reisebusse unserer ist. Der Taxifahrer hat uns geraten, das Gepäck gut festzuhalten. Genau das machen wir und folgen ihm.


Es ist noch dunkel, doch der Busbahnhof von Daressalam in Tansania ist voll mit Menschen und Bussen, bei allen läuft der Motor. Im Bus kommt man kaum durch die Reihen, denn es gibt nicht wie üblich vier, sondern fünf Sitzreihen, man hat einfach eine dazugebaut. Wir setzen uns irgendwo hin, doch müssen später den Platz wechseln. Offenbar haben manche hier ihre festen Sitzplätze. Ganz im Gegensatz zum Motto „Pole Pole, no hurry in Africa“ (langsam, langsam) geht es pünktlich um sechs Uhr los.


Auf der einzigen gut asphaltierten Straße, die die Städte verbindet, geht es nun neun Stunden Richtung -Moshi am Fuße des Kilimanjaro. Die meiste Zeit verbringen wir aus dem Fenster blickend.


Die Landschaft ist wunderschön, ihre Farbe wandelt sich mit der Zeit von Wiesengrün über Maisgelb bis Wüstenrot. Die Weite ist unbeschreiblich. In halsbrecherischem Tempo liefern sich die zahlreichen Busse riskante Überholmanöver. Uns wird etwas mulmig, aber da müssen wir durch.


Immer wenn wir an einer Station kurz halten, kommen viele Menschen zu den Bussen gerannt und halten Wasser, Obst, Süßigkeiten und alles, was man sonst noch gebrauchen könnte, hoch. Man kann es direkt vom Busfenster aus kaufen.


Draußen vor dem Fenster spielt sich viel Armut und Leiden ab. Kinder spielen mit Plastikmüll auf der roten Erde, viele sitzen einfach herum, sehen so aus, als ob sie nicht wissen, was sie sonst tun sollen. Die Hütten sind aus Holz und Lehm gebaut und viele vom Zerfall bedroht. Wie bunte Paradoxa prangen mitten in dieser Atmosphäre der Besitzlosigkeit überall die Symbole der westlichen Konsumgesellschaft. Und scheinen zu grinsen. An jeder Ecke, fast jeder Hütte sieht man die Namen und die Farben der Marken.


Überwältigt vom Geruckel, den Farben, der Enge, der Armut und vielem mehr stehen wir nach zehn Stunden mitten im Nirgendwo vor einem Waisenhaus, in dem wir für fünf Wochen arbeiten werden. Der wahre Kulturschock steht uns noch bevor.

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