Ein brennender Müllcontainer: Die Räumung des Hausprojekts "Liebig 34" zog in der ganzen Stadt Randalen nach sich.
Klartext

Liebig 34 – Ein Fall, der ins System reicht

Die „Liebig 34“ ist geräumt, das linke Hausprojekt damit Geschichte. Was bleibt, sind nicht nur die Überreste der darauffolgenden Randale am Wochenende. Es stellt sich unweigerlich die Frage: Musste es so weit kommen?

Dass in der letzten Woche zwischen Neukölln und Ostkreuz die Ringbahn nicht fuhr, ist sicher jedem aufgefallen. Dahinter steckt viel mehr als ein einfacher Kabelbrand. Seit Freitag ist die Liebigstraße 34 nun geräumt, was nicht ohne Krawalle und Ausschreitungen passiert ist. Linke Aktivist:innen und Bewohnerinnen hatten sich dagegen gewehrt, das anarchistisch-feministische Hausprojekt räumen zu lassen. Noch immer hinterlässt gerade dieses Haus Spuren auf den Straßen und in den Köpfen.

Besetzte Häuser gibt es in Berlin nicht wenige. Diskussionen zum Thema Miete werden nicht leiser – im Gegenteil verschärft sich die Situation an vielen Orten. So auch in der Liebigstraße: Einem sonst so weltoffenen antifaschistischen Hausprojekt drohte bereits 2018 das Ende. Der 9. Oktober 2020 wurde als Datum der Räumung festgelegt, aber mit Panzerwägen und tausenden Polizisten anrücken – ist das denn wirklich notwendig?

Ob over the top oder nicht, linke Aktivist:innen haben das natürlich gleich als Provokation  angesehen und scheuten nicht davor zurück, sich der Polizei in den Weg zu stellen und am darauffolgenden Wochenende randalierend durch die Straßen zu ziehen. Da fragt man sich als Außenstehender, ob es soweit kommen musste.

Ein Einzelfall von vielen

Klar ist, dass seit 2018 der Pachtvertrag für das Haus ausgelaufen ist, dass der Hausbesitzer neue Häuser dorthin bauen möchte (mit wahrscheinlich horrenden Mieten) und dass Menschen wieder auf der Straße landen. Muss das sein? Statt die aus ganz Deutschland kommenden Polizisten anzuheuern, wäre es doch vielleicht ratsamer gewesen, schon früher einen konsequenteren, bezahlbaren Mietendeckel aufzustellen. Die Probleme dieses einen Falls liegen nämlich viel tiefer, denn die Liebig 34 ist nur ein Einzelfall von vielen, der zeigt, dass Berlin, genauso wie viele Metropolen, keine oder zu wenige Maßnahmen ergreift, um die Wohnungskatastrophe zu lindern. Häuser besetzen scheint da wie der letzte Ausweg, die einzige Alternative, aber Gewalt sollte es in keinem Fall sein.

Hinzu kommt, dass jenes Hausprojekt ein Zufluchtsort für all jene war, die von Trans*feindlichkeit und patriarchaler Gewalt betroffen sind, was die Angelegenheit noch weiter politisiert. Wo bleiben da die helfenden Mittel der Regierung? Sie sind nicht da, denn die Immobilien sind an Spekulanten verkauft mit der Mission im Hinterkopf, Wohnraum zu schaffen. Für die Betroffenen sind Kapitalismus und Regierung die Schuldigen, gegen die sich zu wehren ist. Ganz so einfach lässt sich die Schuld in diesem Fall nicht zuweisen, jedoch sollte die Regierung im besten Fall für einen mittleren Weg sorgen, der einen Kompromiss zulässt und derartige Ausschreitungen wie jene am vergangenen Wochenende in Zukunft verhindert.

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Ich bin Kristina und schreibe zwar nicht, seitdem ich einen Stift halten kann. Dafür schreibe ich jetzt mit Leidenschaft und meinem Lamyfüller. Es gibt viel, was ich in der Welt ändern möchte, deshalb ist wohl der erste Schritt, anderen davon zu erzählen. Mit Fotografien, Bildern und Texten kommuniziere ich und zeige mich der Welt ein klein wenig mehr.