Derya, 16 Jahre, aus Marzahn fragt: Ich bin ein sehr hilfsbereiter Mensch. Bei Problemen bin ich immer für meine Mitmenschen da und ich helfe, wo ich kann. Meine Hilfsbereitschaft wird zunehmend ausgenutzt, finde ich. Dabei ist Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe ein Bestandteil meiner Lebenseinstellung. Kann diese Lebenseinstellung eigentlich auch zur Selbstaufopferung werden?
Herr Höff antwortet: Anderen zu helfen und für sie da zu sein, ist natürlich sehr lobenswert. Wenn alle oder wenigstens viele so handeln würden, hätten wir eine solidarische Gesellschaft, die sich zwar jeder wünscht, aber für die sich zu engagieren, viele nicht bereit sind.
Wenn aber deine Hilfsbereitschaft zur Selbstaufopferung ausarten würde, wäre an deiner Lebenseinstellung etwas falsch.
Das ethische Grundprinzip der monotheistischen Religionen lautet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Und das halte ich für ganz richtig. Das ist nämlich nicht nur ein Appell, sich für andere einzusetzen, sondern setzt auch eine klare Grenze für ein sinnvolles Engagement. Dieser zweite Aspekt wird oft übersehen, obwohl der genauso wichtig ist wie der erste.
Damit ist klar: Du bist genauso wichtig wie der, dem du helfen willst. Dieses Gleichgewicht darf bei aller Hilfsbereitschaft nicht zerstört werden. Wenn du also den Eindruck hättest, dass dein Engagement für andere dir zu wenig Zeit und Kraft für dich lässt, wäre das Gleichgewicht gestört.
Wie kann es dazu kommen?
In einem sozialen Umfeld, das sehr stark durch Egoismus geprägt ist, könnte es sein, dass man sich schon mit einer angemessenen Hilfsbereitschaft als der einzige Dumme vorkommt. Da sollte man seine Einstellung nicht durch negative Maßstäbe bestimmen lassen.
Manche Leute können wiederum einfach nicht „Nein“ sagen. So eine Selbstnötigung entwertet allerdings die „gute Tat“, weil es sich eher um Feigheit als um Hilfsbereitschaft handelt.
Es gibt aber auch Menschen, deren Selbstwertgefühl so gestört ist, dass sie sich gar nicht lieben können. Da wird Hilfsbereitschaft zur Ersatzhandlung für die Sorge um sich selbst. Diese unglücklichen Menschen verstehen nicht, dass man nur verschenken kann, was man ist und hat, und dass eine Selbstaufopferung aus Mangel an persönlichen Qualitäten sinnlos ist.
Bleibe also ein hilfsbereiter Mensch, aber bestimme selbst, wo die Grenzen deines Engagements sind.
Dein Manfred
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