Katharina Meredith Portraet
Katharina wuchs in einer Sekte auf.

Kindheit in einer Sekte: Zwischen Manipulation und Nötigung

Katharina wuchs in der Sekte „Licht-Oase“ auf. Mit 19 Jahren gelang ihr der Ausstieg. Wir haben sie getroffen

Von Salonika Hutidi, 20 Jahre

Katharina war zehn Jahre alt, als ihre Eltern der „Licht-Oase“ beitraten, einer Sekte, die von Guru Arno W. und seinem Medium Julie geleitet wurde. Ihre Mutter war damals auf Sinnsuche und stieß durch Zufall auf die Vorträge von Julie – und verfiel ihr.

Mit anderen Mitgliedern zogen sie nach Österreich. „Wir wurden unseren Eltern entrissen und anderen Erwachsenen aus der Gruppe zugeteilt“, erinnert sich Katharina. Ihr Bruder war damals gerade einmal acht Jahre alt, die Jüngste aus der Gruppe sogar erst fünf. „Ich wollte weinen und zu meiner Mutter rennen, doch mir wurde gedroht und Angst gemacht, weshalb ich schnell lernte, meine Tränen zu verstecken.“

Der Sektenführer bestimmte auch über Sexualpartner

Später zog die mittlerweile 40 Mitglieder umfassende Gruppe nach Belize in Zentralamerika. Es habe kaum Privatsphäre gegeben, nicht einmal Toilettentüren. „Uns wurde ständig etwas von einem Weltuntergang erzählt, den nur wir gemeinsam verhindern konnten, weshalb keiner die Gemeinschaft verlassen durfte“, erinnert sich Katharina. Arno habe ihr eine verrückte Idee nach der anderen aufgetischt. „Wir sollten an einer Zeitmaschine arbeiten, um unseren Alterungsprozess zu stoppen.“ Später sollten sie Urin trinken, Voodoo ausprobieren, Persönlichkeiten tauschen. Erst als Erwachsene begriff Katharina, dass die Beschäftigungen sie und die anderen Mitglieder nur vom Nachdenken abhalten sollten. „Damals machten wir alles ergeben mit, denn ein anderes Leben kannten wir nicht mehr.“

Auch in die Sexualität habe sich Arno eingemischt. „Die Erwachsenen mussten regelmäßig ihren Sexualpartner wechseln. Dabei beschied Arno oft, dass Menschen, die sich nicht ausstehen konnten, miteinander schlafen sollten. Man muss schließlich über seinen Gefühlen stehen.“ Echte Liebesbeziehungen wurden untersagt. „Ich versuchte keine Ablehnungen gegenüber einer Person zu zeigen, aus Angst, Opfer dieses Prinzips zu werden“, so Katharina.

„Ich erkannte langsam, dass er gar nicht der Erleuchtete war. Er handelte aus Größenwahn.“

Sobald ein Mädchen 15 Jahre alt wurde, musste sie sich einen Freund aus den Reihen der Männer aussuchen. „Einerseits wollte ich das nicht, für mich waren das alles alte, schleimige Männer“, so Katharina. „Andererseits bekam ich Aufmerksamkeit, die ich in einem System, indem ich weder Eltern noch wahre Freunde hatte, nicht erhielt.“ Plötzlich bekam die Jugendliche Beachtung und merkte, wie sehr sie sich nach dieser sehnte. Auch Guru Arno durfte sich Mädchen aussuchen. „Es galt als besondere Ehre, ihn küssen zu dürfen.“ Erst als Katharina gleichaltrige Jugendliche aus der Außenwelt traf, wurde ihr bewusst, dass es da Männer gibt, die sie anders behandeln. „Die verteufelte Außenwelt wurde mir immer sympathischer. Ich wollte sie kennenlernen.“ Zugleich wuchsen die Zweifel in ihr: „Die Prophezeiungen von Arno trafen nie ein, wir alterten trotz Zeitmaschine und der Weltuntergang kam nicht. Ich erkannte langsam, dass er gar nicht der Erleuchtete war. Er handelte aus Größenwahn.“

Die Rückkehr in die Realität fiel schwer

Als Katharina 19 Jahre alt war, veränderte sich alles: „Einer Jugendlichen, Arnos Freundin, gelang die Flucht. Das sprengte die Sekte.“ Arno und Julie flohen aus Belize, um einer Verurteilung zu entgehen. „Und wir anderen fingen endlich an zu reden.“ Katharina entschied sich, zu gehen. Während ihr Vater und ihr Bruder sie begleiteten, gehörte ihre Mutter zu den wenigen Anhängern, die Guru Arno weiter folgten. Mittlerweile haben sie wieder Kontakt.

„Das Leben außerhalb einer destruktiven Gruppe ist viel echter.“

Sich ein normales Leben aufzubauen, habe ihr viel Kraft abverlangt. „Meine ganze Sozialisierung in der Sekte stellte sich als falsch heraus und all mein Wissen über die Welt war nutzlos“, so Katharina. Anfangs habe sie einen starken Mitteilungsdrang gehabt und das Gefühl, nicht ‚nein’ sagen zu können. Flashbacks und Albträume plagten sie. Reden habe schließlich geholfen, das Erlebte zu verarbeiten. Heute hält Katharina Vorträge und gibt Seminare zum Thema Manipulation in destruktiven Gruppen. Ihrer gestohlenen Kindheit wird sie wohl immer hinterhertrauern.

Allen Menschen, die sich ebenfalls in einer ähnlichen Situation befinden, wie Katharina damals, rät sie: „Hör’ auf dein Bauchgefühl! Lass dir von niemandem Angst einjagen, denn das Leben außerhalb einer destruktiven Gruppe ist viel echter. Du kannst echte Freundschaften und Liebe erfahren. Vor allem aber erfährst du das unvergleichliche Gefühl der Freiheit.“

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Foto: privat

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Kategorien Gefühle Gesellschaft Zwischendurch

Immer auf dem Sprung zu neuen Themengebieten möchte ich die Gegebenheiten der Welt aufdecken. Was ich da machen kann? Schreiben! Schreiben, über den Sinn des Lebens. Schreiben, über UN-Konventionen und Kinderschokolade. Schreiben, über die täglichen Erfahrungen eines ehemaligen Mitgliedes von Scientology. Mit großer Leidenschaft zur Recherche versuche ich die Welt besser zu verstehen und möchte alle Leser daran teilhaben lassen. Spreewild nutze ich dabei gerne um Themen anzusprechen, die im gesellschaftlichen Salon absichtlich vergessen bleiben. Das Unausgesprochene aussprechen. Die Tatsachen auf den Tisch packen. Das ist für mich Journalismus.