Prost statt Om: Zum Bieryoga in der Else

Alkohol und Sport schließen sich aus? Nicht unbedingt. Unsere Jugendredakteurin Margarethe hat vom Hund ins Glas geschaut.

Alkoholisierte Yogis schienen in meinem Weltverständnis etwa so wahrscheinlich wie nüchterne Berghainbesucher oder pünktliche Busabfahrtszeiten. Doch der Trend zur sportlichen Selbsterfahrung mit Schwips schwappte an den vergangenen Donnerstagen nach Alt-Treptow herüber. Um den Mehrwert der Hopfenbrause zu testen, musste ich natürlich selbst ins Glas schauen. Und auf der Matte schwitzen.

Einen Abend lang soll die ELSE als Open Air-Yogastudio herhalten. Aber der Berliner Sommer hat seine innere Mitte noch nicht ganz gefunden. Der Biergarten ist überschwemmt, zwischen bunten Containern, Schaukeln und Strandkörben stehen die Pfützen. Kurzerhand findet die Stunde auf einem überdachten Dancefloor statt. Die Atmosphäre ist, nun ja, außergewöhnlich. Unter dem schwarzgestrichenen Gebälk hängt noch das dezente Odeur von Zigarettenqualm einstiger Partys.

Mit angewinkeltem Bein balanciere ich meine Flasche auf dem Kopf.

Ich platziere meine Bierflasche auf dem Handtuch. Bei der Einstiegsmeditation sollen wir uns auf unseren Atem konzentrieren. Eigentlich keine große Challenge. Jedoch pulsiert vom DJ-Pult im Hintergrund noch ein Technobeat durch den Raum. Das Achtsamkeitstraining ist gar nicht mal übel. Bewusst schmecke ich das herbe Bier, spüre die Kohlensäure auf der Zunge. Unsere australische Anleiterin verkündet gutgelaunt, wir können jederzeit eine Pause zur Entspannung einlegen. Gern auch eine Raucherpause.

Viele der Positionen erinnern an die üblichen Yoga-Asanas. Der abwärtsschauende Hund, die Kobra. Neu sind nur die regelmäßigen Schlückchen aus der Bierflasche, die am Ende in die Übungen integriert werden. Mit angewinkeltem Bein balanciere ich meine Flasche auf dem Kopf – und verpasse mir bei einem unfreiwilligen Bottle Flip eine lauwarme Bierdusche. Schnell wechsle ich in die Figur „Bier-Bank“ und höre irgendwo hinter mir die ersten umgekippten Glasflaschen klimpern.

Seriös sehen wir sicher nicht aus, wie wir da sitzen und andächtig das kühle Glas mit den Fingerspitzen befühlen. Am Ende der Stunde chanten wir gemeinsam dreimal Prost und kehren zurück ins Bier und Jetzt. Ich muss ein Kichern unterdrücken. Wüsste mein buddhistischer Mitbewohner, was ich hier mache – er würde sich vor Gram auf dem Meditationskissen umdrehen. Angetrunken fühle ich mich nicht, dafür ist da das überirdische Verlangen, endlich auf die Toilette zu dürfen. Die Reise zum spirituellen Mittelpunkt von Körper und Seele, sie ähnelt eher der Touri-Animation in einem Clubhotel auf den Kanaren.

Dennoch: Die Kombi aus Bier und Yoga als Stresskiller im Doppelpack ist eine witzige Erfahrung und hat Potential, vielleicht bald der liebste Freizeitsport einer neuen Generation Hipster-Eltern zu werden.

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Kategorien Lifestyle Zwischendurch

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.