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CSD – Wie tolerant sind die Berliner wirklich?

Der Christopher Street Day ist gleichbedeutend mit Toleranz und Aufgeschlossenheit. Sollte man zumindest meinen.

Von Jessica Schattenberg, 18 Jahre

Der Christopher Street Day ist eines der am heißesten erwarteten Sommerevents auf Berlins Straßen. Am 22. Juli ist es wieder so weit: Tausende Menschen gehen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Transsexuellen und Transgendern sowie Inter- und Bisexuellen auf die Straße. Der Umzug vom Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor gleicht dabei einer ausgeflippten, gelungenen Party. Feiern für die Gleichberechtigung: Die Message ist deutlich und auch Berlin selbst kann sich wieder einmal als supi-dupi-bunte Hauptstadt brüsten. Wer dafür kein Verständnis aufbringen kann, sollte sich definitiv für den kommenden Samstag genau überlegen, welche Straßen er kreuzen muss. Doch wie aufgeschlossen sind die Berliner zwischen verrückten Kostümen, lauter Musik, Konfetti und nackter Haut wirklich?

Es sind an diesem Tag genau vier Arten von Gästen vertreten: jene, die für ihre eigenen Rechte ein Statement setzen wollen, die, die einfach mitfeiern, Vereine, Parteien, Projekte und Firmen, die sich davon Erfolg erhoffen, dass sie bei dieser nach Zukunft klingenden Veranstaltung dabei sind, und diejenigen, die mit der Bratwurst in der Hand das Spektakel beobachten. Die vom Standard-Hetero-Paar abweichende Liebe wird absolut vertreten. Jeder Mensch ist großartig. Alle haben sich lieb. Jeder darf lieben, wen er oder sie will.

„Was will das junge Ding denn mit der alten Schachtel?“

Und dann, mitten in der Menge, laufen zwei Frauen Hand in Hand, um sich nicht zu verlieren. „Was will das junge Ding denn mit der alten Schachtel?“ Bitte was? Wir feiern, jegliche Art der Liebe zwischen zwei Personen zu akzeptieren, aber unterschiedliches Alter wird nicht geduldet? Dass die beiden Mutter und Tochter sind, scheint als Option gar nicht zur Debatte zu stehen. Sind Würstchen-liebhaber nicht in der Lage, andere generell zu tolerieren? Warum muss gleich ein neues Manko gesucht werden?

In diesem Jahr haben wir besonderen Grund zu feiern: Mit der Ehe für alle ist ein unglaublicher Schritt zur generellen Gleichberechtigung bewältigt. Lasst uns also am kommenden Samstag zusammen einen Tag voller guter Laune, Energie und Emotionen zelebrieren. Wer trotzdem meckern möchte, findet auch in schief gewachsenen Bäumen oder moppeligen Spatzen ein wunderbares Thema zum Aufregen. Aber lasst doch bitte an diesem CSD 2017 die Liebe einfach nur Liebe sein.

Foto: Wikimedia

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Kategorien Gefühle Gesellschaft Klartext Zwischendurch

Statt Netflix verfolge ich Konzerte. Ich (20 Jahre) brauche keine Sojamilch, sondern guten Kaffee. Mein Yoga ist es, auf viel zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Dabei ist der Eisbär mein Patronus, den meine Eltern mir mit sieben Jahren einfach nicht als Haustier erlaubten. Aber wenn eine Idee von der Außenwelt für verrückt erklärt wird, dann muss sie erst recht verwirklicht werden, und eben jene Personen mit Mut und außergewöhnlichen Gedanken sind es, von denen die Welt wissen sollte. Was kann ich da sinnvolleres tun, als für Spreewild zu schreiben? Die Verhandlungen um den Eisbären laufen jedenfalls weiter.