Wofür wir Berlin lieben, nachdem wir weggezogen sind

Berlin … du bist so wunderbar! Das hat unsere Autorin aber erst nach dem Umzug gemerkt.

Laura hatte gerne mal was an ihrer Heimatstadt auszusetzen – und würde sich dafür, jetzt, wo sie länger im Ausland ist, gerne entschuldigen. Zehn Dinge, die sie an Berlin zu schätzen weiß, seit sie weggezogen ist:

1. Döner: Fladenbrot mit Grillfleisch und Salat – klingt einfach, ist es aber nicht. Außerhalb Berlins kann etwa über die Portionierung und Würzung der Soßen nur abfällig der Kopf geschüttelt werden. Da ist der vermeintlich weltoffene Berliner mit verwöhntem Mustafa-Gaumen eigen.

2. Sterni: Was gehört zu jedem guten Döner? Klar, ein Bier. Alltags fachsimpeln wir mit Freunden über die ausgefallenste Sorte, den besten Geschmack und ob das kühle Hopfengetränk denn auch fair trade ist. Halten wir uns aber einige Zeit im Ausland auf, sinkt der durchschnittliche Konsum drastisch und wir merken: Eigentlich zählt doch nur eines: der unschlagbar billige Preis, mit dem kaum ein Land mithalten kann.

3. Berliner Schnauze: Für Außenstehende mag die Vorstellung, sich an einem Tag sowohl von pingeligen Rentnern auf offener Straße als auch von der Kassiererin im Supermarkt und der Durchsage am Bahnsteig an- schnauzen zu lassen, nicht einladend klingen. Und doch: Hat man sich einmal an das prinzipielle Duzen und den rauen Umgangston gewöhnt, möchte man beides nie wieder missen. Alle diese genervten Stimmen sprechen uns doch aus der Seele.

4. Fernsehturm: Für gewöhnlich versuchen waschechte Berliner, sich vom Fernsehturm fernzuhalten. Doch stehen wir mal verloren ohne Stadtplan oder mobiles Internet in einer ähnlich großen Stadt am Ende der Welt, suchen wir vergebens nach einem vergleichbaren Bezugspunkt. Danke dafür, altes Haus!

5. Offenheit: Wer in Berlin wohnt, hat eigentlich alles schon mal gesehen. Der Berliner toleriert oder ignoriert. Verurteilt oder angestarrt wird niemand. Das wird uns erst schmerzhaft bewusst, wenn wir andernorts schon für ein gewagtes Partyoutfit abschätzige Blicke kassieren.

6. Anonymität: Das führt uns gleich zum nächsten Punkt auf der Liste. Denn sind wir selbst mal ungeschminkt oder verkatert, ist das in Berlin kein Problem. Egal, ob es nur zum Bäcker um die Ecke geht oder man einen Spaziergang durch das ganze Viertel macht: Wahrscheinlich wird uns niemand erkennen! Maximal unsere Nachbarn, zu denen wir aber sowieso kein enges Verhältnis haben. Berlin ist groß und weit und noch dazu unpersönlich. Auch wenn sich der ein oder andere manchmal in all der Weite verloren fühlen mag kann man in solch einer Situation nur von Glück reden.

7. Die öffentlichen Verkehrsmittel: Ein Berliner, der nicht mindestens alle zwei Tage über die Verspätungen und Ausfälle der S- und U-Bahnen und über die fragwürdigen Mitfahrer meckert, ist kein richtiger Berliner. Erst, wenn wir anderswo in Deutschland oder im Ausland sind, wird klar, wie privilegiert wir eigentlich sind. Nahezu das gesamte Stadtgebiet ist angeschlossen, niemand muss länger als zehn Minuten bis zur nächsten Haltestelle laufen, am Wochenende fahren uns die Öffis rund um die Uhr und haben die Kontrolleure und Bahnfahrer mal zu viel Zeit, veröffentlichen sie sogar Songs über ihre innere Ruhe („Is‘ mir egal!“) auf YouTube, um den motzenden Großstädter zu unterhalten. Respekt!

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8. Öffnungszeiten: „Wie, samstags schließt der Kaisers schon um 23.30 Uhr, montags macht er erst um 7 Uhr auf und am Sonntag hat er ganz zu?“ So oder so ähnlich haben sich sicher die meisten von uns schon mal über die Schließzeiten Berliner Supermärkte beschwert. Doch verlassen wir die Hauptstadt wird uns klar, dass das Meckern auf Mount Everest-Niveau war.

9. Spätis: Apropos am Sonntag geschlossen: Eine weitere Ur-Berliner Einrichtung, der wir öfter huldigen sollten, ist der Spätkauf. Von Tiefkühlpizza über Zahnbürsten und Hundefutter bis Internetzugang bietet der gemeine Späti alles, was nicht länger warten kann, rund um die Uhr. Einst fuhr ich mit Besuch aus dem Teil Deutschlands durch Berlin, indem man versucht, sich dem Späti-Konzept mit etwas, das sich dort „Büdchen“ nennt, anzunähern. Da rief dieser aus: „Oh, ein Späti – sowas habe ich bisher immer nur bei GZSZ gesehen!“ SPÄTIstens nach diesem traurigen Einwurf wurde mir bewusst, welche Sonderstellung wir Berliner genießen.

10. Veganismus und laktosefreie Zonen: Das ist sooo gesund. Das ist auch nachhaltig. Das ist ein super Ersatz für bla, bla, bla. Entweder schalten wir an diesem Punkt ab oder beenden die Unterhaltung damit, dass wir jetzt aber Lust auf die jute alte Bratwurst in der Schrippe haben. Nach zwei oder drei Wochen im Ausland, wo häufig alles, was man auf die Schnelle zu essen bekommt entweder frittiert ist oder aus aufblähendem Weizenmehl besteht, sehnen wir uns dann doch gesunder Abwechslung und sehen ein, dass Berlin mit seiner Superfood-Szene im Vergleich recht fortschrittlich ist.

 

Beitragsbild: BVG

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Kategorien Lifestyle Zwischendurch

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