Vivian, 22, aus Zeuthen fragt: „Es gibt einen Satz, den ich im Laufe meines jungen Lebens von nahezu allen älteren Menschen gehört habe, mit denen ich mich mehr als einmal unterhalten habe: ,Wir hatten früher ja nichts!‘ Ich habe das auch von Menschen gehört, die nicht mehr in der Kriegs- oder Nachkriegszeit aufgewachsen sind. Der Satz gehört offenbar einfach zum Alter. Werde ich eines Tages auch ,Wir hatten ja früher nichts!‘ sagen?“
Herr Höff antwortet: Diese Aussage erscheint mir ziemlich dumm. Deshalb kann ich kaum glauben, dass sie unter älteren Menschen so verbreitet sein soll. Allerdings sind in den vergangenen 20 Jahren viele technische Geräte zu einer Entwicklungsreife gebracht worden, die sie zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand werden ließen. Für den Normalverbraucher bezahlbare Mobiltelefone, Faxgeräte, Computer und all das gab es vor 20 Jahren nicht. Ein Veteran aus dem ersten Weltkrieg würde sogar über den elektrischen Kühlschrank staunen, und falls man mal einen lebenden „Ötzi“ aus dem Eis herausholen könnte, wäre sein Staunen noch größer.
Sicher geht diese Entwicklung langsamer oder schneller weiter, so dass es in 50 Jahren vermutlich wieder irgendetwas gibt, an das heute nicht zu denken ist. Nur: Wo ist das Problem dabei?
Wir, egal ob jung oder alt, können doch gleichermaßen die zivilisatorischen Möglichkeiten nutzen, die es jetzt gibt, ohne uns darüber zu ärgern, dass wir irgendetwas nicht haben, was es vielleicht später gibt. Und ebenso macht es keinen Sinn, sich darüber zu beklagen, dass man früher nicht haben konnte, was es nicht gab.
Auch wird im Urwald kaum jemand Mobiltelefon und Faxgerät vermissen, weil seine Lebensumstände solche Geräte gar nicht erfordern. Ein nachvollziehbares Problem entsteht doch erst dann, wenn jemand unfreiwillig von den zivilisatorischen Möglichkeiten seiner zeitlichen und örtlichen Umgebung abgekoppelt ist. Darunter muss man nicht verstehen, dass jemand seinen Nachbarn um das größere Auto beneidet, sondern dass jemand sich beispielsweise kein Mobiltelefon leisten kann, obwohl das inzwischen für die meisten ein normaler Gebrauchsgegenstand ist. Wer sich aber darüber beklagt, wird nicht „Wir“ sagen, weil er sich ja gerade darüber ärgert, nicht am „Wir“ teilhaben zu können und sich ausgegrenzt fühlt.
Wir, die Eltern sowie Omas und Opas, bemühen uns doch gerade darum, den Kindern und Enkeln die Teilhabe an den zivilisatorischen Standards zu ermöglichen. Weshalb sollten wir sie später um das Erreichte beneiden?
Dein Manfred
Wer sind eigentlich diese Alter Egos, die mit der Kraft der zwei Erfahrungsschätze, in allen Lebenslagen Rat wissen? Frau Haube und Herr Höff haben sich 2010 in unserem Superoma- und Superopa-Casting durchgesetzt und beantworten seitdem eure Fragen. (Habt ihr eine? Schreibt uns unter blz-jugendredaktion@berliner-zeitung.de)
Hier könnt ihr sie kennenlernen, Film ab:
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