„Bilder schaffen, die berühren“

Beim Jugendfotopreis 2010 hat die 25 jährige Julia Sonntag aus Berlin den 2. Platz im nationalen Wettbewerb in ihrer Altersgruppe belegt. Auf Spreewild.de erzählt sie uns ein bisschen über ihre Bilder, über ihr Leben als junge Fotografin in Berlin und warum Fotos nicht immer scharf sein müssen, um gut zu sein.

Foto: Julia Sonntag

Das hier ist eines der ersten Bilder, die für mich wichtig wurden. Ich habe es zu einer Zeit aufgenommen, zu der ich ausschließlich mit der analogen Spiegelreflexkamera fotografierte, die ich von meinem Vater bekommen hatte. Zum Zeitpunkt des Bildes war ich 18 und hatte schon zwei Jahre Erfahrung mit dieser alten Kamera.

Auf dem Bild sieht man ein junges, in sich versunkenes Mädchen, das sich mit beiden Händen an einem Treppengeländer festhält. Sie wirkt fast gefangen, wie sie ihren Kopf nach unten gesenkt zwischen die Gitterstäbe schiebt, mit dem Blick nach unten. Kleidung und Haar sind dunkel gehalten und die Umgebung wirkt etwas bedrohlich, u.a. durch merkwürdige dunkle Gebilde, die sich an der Wand befinden und durch die Schräglage in der fotografiert wurde, die man aber erst auf den zweiten Blick entdeckt. Das Bild scheint im Ganzen fast monchrom zu sein, die Farben gelb und schwarz sind vorherrschend.

Die Filme gab ich damals immer zum Entwickeln und Printen zur Drogerie, wo ich sie dann mit wunderbaren Farbstichen wiederbekam, die mir sehr gefielen und immer noch gefallen.

Foto: Julia Sonntag

Dieses Foto entstand im ersten Jahr meines Fotografiestudiums an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. Damals fotografierte ich auf verschiedenen Gothic-Festivals vor allem die Besucher. Meistens waren es bewusste Portraits. Dieses Foto ist eher eine Ausnahme in der Serie, da es beobachtend ist.

Mir gefällt es, weil es einen sehr besonderen sinnlichen Moment festhält. Die beiden Fotografierten scheinen wie aus einem französischen Film zu sein und haben diese unglaubliche Eleganz, obwohl sie ja eigentlich nichts außergewöhnliches tun. Beide scheinen in dem abendlichen Licht zu baden. Für mich erzählt dieses Foto auch davon, wie heilsam es sein kann auszugehen und in eine andere Rolle zu schlüpfen.

Foto: Julia Sonntag

Diese beiden Fotos sind aus meiner Serie „Tausendschön“. Diese wurden u.a. auch beim Jugendfotopreis 2010 prämiert. Das ist mein erster Preis in der Richtung und ich habe mich natürlich riesig gefreut.

„Tausendschön“ ist meine Abschlussarbeit. Da sie für mich noch nicht beendet ist, fotografiere ich momentan daran weiter. Dabei arbeite ich mit einer Lochkamera aus Pappe und sehr langen Belichtungszeiten von bis zu zwei Stunden.

In jedem Bild gibt es ein Zusammenspiel zwischen einer Pflanze, und einem Hintergrund, den ich meistens lange suchen muss. Dafür durchsuche ich leerstehende Gebäude und Ruinen in Berlin und im Umland. Durch die Unschärfe der Kamera und die Buntheit der Farben verbinden sich beide Ebenen, sie stehen im Austausch.

Anfangs wollte ich eigentlich nur eine Lochkamera ausprobieren. Ich hatte dann die abstrakte Idee im Kopf, Pflanzen so zu fotografieren, dass ihre Reinheit festgehalten wird. Ich wollte mit Tageslicht arbeiten, ohne dass der Hintergrund nach einem Studio aussieht – ganz natürlich eben, aber trotzdem getrennt von Garten, Vase oder anderen ablenkenden Elementen.

Die ganze Serie kann ich mir ohne Unschärfe von der

Foto: Julia Sonntag

Lochkamera gar nicht vorstellen! Dadurch werden die Ebenen miteinander verbunden und das Bild wird im Ganzen weicher und malerischer. Dass die Hintergründe recht präsent sind, hat sich nach und nach entwickelt.

Seit ungefähr zweieinhalb Jahren arbeite ich an dieser Reihe. Ich habe momentan ungefähr 30 Fotos, das können aber auch noch weniger oder mehr werden. Wenn die Serie beendet ist, möchte ich ein Buch gestalten, dann weiß ich welche Bilder in der Serie sind und welche nicht.

Mein Ziel ist es, Bilder zu schaffen, mit denen die Anmut und Schönheit der Pflanzen lebendig wird. In meinen freien Arbeiten geht es mir grundsätzlich darum, Bilder zu schaffen, die berühren.

 

Foto: Julia Sonntag

Dieses Bild ist bei einem Modeworkshop entstanden. Es gab eine Kooperation zwischen meiner Fotoschule und einer Modedesignhochschule in Halle. Hierbei habe ich eine Woche lang eine Kollektion aus verschiedenen Outfits fotografiert. In meiner Serie habe ich mich darauf konzentriert eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, die sich für mich aus der Kollektion ergeben hat. Auf dem Foto sieht man ein Model, das die Designerin ausgesucht hat. Sie ist auch kein richtiges Model, hat aber vom Typ sehr gut zu den Sachen gepasst und man konnte mit ihr auch gut arbeiten.

Bei der Vorbereitung auf die Session habe ich mich sehr stark von dem Thema der Modedesignstudentin tragen lassen. In ihrem Fall war das eine Mode inspiriert durch Patti Smith, die ich sehr bewundere.

Ich kenne sie ja nicht persönlich, aber sie ist für mich eine Art Symbol zuerst einmal dafür unverstellt zu sein, egal ob es gut ankommt oder nicht. Außerdem schwingt bei ihren Liedern immer dieses Gefühl von Tragik und Verlust mit, was ja auch in ihrer Biografie begründet ist.
Diese Dinge finde ich auch in dem Foto wieder.

Die Schwere bricht dann innerhalb der Serie aber wieder auf und wird z.B. zu Spielfreude.

Dieses Bild habe ich mit einer digitalen Kamera aufgenommen – das war Teil der Aufgabe. Ich besitze auch eine digitale Spiegelreflexkamera, die ich hin und wieder benutze. Ich entscheide immer nach dem Anlass, welche Kamera ich nehme. Digital zu arbeiten ist einfach schneller und preiswerter. Wenn ich also Fotos im Auftrag mache, die mir selbst nicht ganz so wichtig sind, würde ich meist die Digitalkamera nehmen. Generell bin ich ein wenig misstrauisch, ob das schnelle Arbeiten und Selektieren bei mir nicht zu schlechteren Ergebnissen führt. Andererseits kenne ich von Kommilitonen großartige Arbeiten, die auch digital aufgenommen wurden.

Generell überlege ich mir vor dem Fotografieren sehr genau, ob ich mit Unschärfe spielen möchte oder nicht. Bei der Patti-Smith-Serie gehörte es ebenfalls zum Konzept. Hier wollte ich, dass die Kleidung an sich eher im Hintergrund ist und die Betonung auf Blicken, Gesten usw. liegt.

100% Schärfe und Perfektion in den Bildern, ist letztendlich eine Stilfrage. Problematisch finde ich es, wenn Fotos vorrangig nach der Technik bewertet werden und der Inhalt des Bildes eine untergeordnete Rolle spielt. Die Aussage des Bildes sollte immer die Aufnahmeästhetik bestimmen und nicht umgekehrt.

Zum Austausch mit anderen Fotografen zeige ich meine Fotos in Papierform. Ich engagiere mich aber auch in einem Internet-Netzwerk und mache dort Fotos von Musikern.

Momentan geht meine Fotografie in Richtung Kunst. Wohin mich die Fotografie noch führt, möchte ich mir aber offen halten. Ich kann nicht von der Fotografie leben und arbeite nebenbei etwas anderes. Ich denke in Berlin ist der Einstieg für junge Fotografen schon schwierig. Es gibt ja auch so viele Fotoschulen, dass ein Überangebot an Fotografen da ist. Wie schwierig es ist, hängt aber auch immer sehr davon ab, was und wie man fotografieren möchte.

Foto: Julia Sonntag

Julia Sonntag, 25

Vom 27. Oktober bis 28. November werden die Preisträger-Arbeiten des Deutschen Jugendfotopreises 2010 im Bundesjugendministerium in Berlin ausgestellt.

von Fritz Schumann, 20

 

 

 

 

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