Küche
Hannes würde gerne in Ruhe seinen Kaffee trinken, aber seine Mitbewohnerinnen lassen ihn nicht.

Was tun, wenn das WG-Leben zum Horror wird?

In Hannes‘ WG bekämpfen sich die Mitbewohner*innen. Alle sind unglücklich, doch niemand ist bereit auszuziehen. Eine aussichtlose Situation?

Von Maleen Harten

Mein Kumpel Hannes hat ein Problem, ein Problem mit seiner WG. Eigentlich ist alles gut, äußerlich betrachtet. Er wohnt in einer der sicherlich schönsten Wohnungen Kreuzbergs: Dielenboden, Stuck, riesige Küche, langer breiter Flur, Doppelglasfenster, Badewanne, weiter Blick. Wenn er aus seiner Wohnung kommt, wird er von anderen Hausbewohner*innen gegrüßt und in kurze, manchmal lange Gespräche verwickelt. Ganz anders als in den sonst so anonymen Berliner Mietshäusern, wo man jeden Tag neue Gesichter mit Koffern über den Hinterhof rumpeln sieht.

Wo ist also das Problem? Die Probleme heißen Angelica aus Peru, Jenny aus Hamburg und Linda aus Italien. Mittlerweile ist es so schlimm, dass er den Anblick der Mädchen nicht mehr ertragen kann und jedes Mal hofft, dass er seinen Schlüssel zweimal im Schloss umdrehen muss, also niemand anderes zu Hause ist.

Hier prallen komplett entgegengesetzte Vorstellungen von Zusammenleben aufeinander

Angelica und Jenny haben das „Pech“, dass sie beide seit Jahren unglücklich in Hannes verliebt sind. Dass er jeweils kurz auf deren Avancen eingegangen ist, macht die Sache nicht einfacher. Phasen von absoluter Nicht-Kommunikation, vorwurfsvollen Blicken und geschlossenen Türen wechseln sich ab mit stundenlangen Problemgesprächen über Hannes‘ Liebes- und Beziehungsunfähigkeit.

Linda, die einzige Mitbewohnerin, die Hannes‘ Charme noch nicht erlegen ist, macht ihn allerdings besonders wahnsinnig: Mit ihrer Hektik, ihrem – so Hannes – „klischeehaft südeuropäischen Temperament“, ihrer Unzuverlässigkeit. Hier prallen scheinbar komplett entgegengesetzte Vorstellungen von einem Leben in Gemeinschaft aufeinander.

Hannes‘ Version vom „glücklichen Wohnen“ ist es, vor allem Zeit alleine zu verbringen: Morgens in der stillen Küche die Zeitung durchzublättern, dem sprudelnden Zischen des Espressokochers zu lauschen, eine Bob Dylan-Platte aufzulegen und innerlich über die großen Fragen des Lebens nachzudenken. Während Linda eher in der Nacht und in Gesellschaft aufzuleben scheint. Regelmäßig kommt sie frühmorgens mit mehreren fremden Männern nach Hause und weckt Hannes durch die sich anschließenden Sexgeräusche. Oder sie stellt mitten in der Nacht die laut rumpelnde Waschmaschine an, lässt ihre Wäsche dann aber tagelang in der Trommel vergammeln.

„Ständig hat sie Besuch aus Italien, wochenlang, die essen dann mein Essen und koksen in der Küche. Nie räumt sie die Spülmaschine aus, nie putzt sie, nie kauft sie Klopapier. Wenn ich sie dann darauf anspreche, rastet sie so richtig aus. Ich will überhaupt nicht mehr dort sein. Aber ich kann nicht ausziehen. Was Besseres als diese Wohnung, finde ich nie mehr in Berlin“, klagte Hannes vor Kurzem, als ich ihn mal wieder zum Essen traf, selbstverständlich nicht bei ihm zu Hause.

Sie starrte ihn an und sagte: „Ich werde hier bleiben, egal was du tust.“

Doch so richtig schnell kommt er aus dieser Nummer nicht mehr raus, denn er hat alle drei Frauen bei deren Einzug in den Hauptmietvertrag genommen. „Weil ich damals dachte, dass es sinnvoller ist, sich die Verantwortung zu teilen. Außerdem war ich einfach naiv. Wie sollte ich wissen, dass es so ausarten würden“, so Hannes. Damit hat er sich allerdings erst in diese unglückliche Situation gebracht. Denn die Konsequenz ist, dass alle drei Mitbewohnerinnen – obwohl Hannes die Wohnung gefunden hat und bereits am Längsten dort wohnt – genau das gleiche Anrecht auf sie haben wie er. 

Dementsprechend scheiterte auch sein letzter Versuch vor ein paar Tagen, Linda zu einem Auszug in beiderseitigem Einvernehmen zu bewegen: Ohne Worte war sie aufgestanden, in der Küchentür stehen geblieben, hatte ihn sekundenlang angestarrt und schließlich gesagt: „Das ist dein Problem. Ich werde hier bleiben, egal was du tust.“ Die Situation scheint also einigermaßen verfahren zu sein.

Was könnt ihr in einem ähnlichen WG-Konflikt tun?

  1. Ein persönliches Gespräch führen: Egal wie verkorkst alles schon zwischen euch ist, setzt euch trotzdem noch einmal zusammen. Hier ist die Art der Kommunikation wichtig:  
  • Versucht eure eigene Position mittels Ich-Botschaften darzustellen. Diese kommen immer besser an als Du-Botschaften und nehmen der Situation oft die Schärfe. Beispiel: Statt zu sagen: „Du räumst nie deine Sachen weg“, könnte man sagen: „Wenn du deine Sachen nach dem Essen stehen lässt und nicht abwäschst, bin ich frustriert/fühle mich enttäuscht/empfinde ich…“
  • Der anderen Person trotz allem versuchen auch positives Feedback zu geben
  • Ganz schlecht sind Frontenbildungen. Wenn drei Personen auf eine Person einhacken, wird sich der Konflikt wohl kaum entspannen. Hier ist es besser zu zweit zu sprechen. Und dann nicht sagen: „Die Anderen finden dich auch unmöglich“, sondern nur von sich zu reden.

2. Holt eine/n Dritte/n hinzu: Dabei ist es wichtig, dass diese Person euch allen fremd und somit nicht persönlich in den Streit involviert ist. Hier bieten sich unabhängige Mediator*innen an. Es existieren in Berlin super viele Mediationszentren, die unentgeltliche Beratungen anbieten, die ihr auch als WG nutzen könnt, wie zum Beispiel:

Mediationszentrum Berlin

KommRum in Friedrichshain (Psychosoziales Kommunikationszentrum)

3. Wenn es ernst wird: Bei rechtlichen Fragen, wie etwa Hauptmietvertrag, Kündigung, etc., kann auch der Berliner Mieterverein helfen. Als Mitglied (Beitrag 4,50 Euro pro Monat für Student*innen) könnt ihr kostenlose Beratungen durch Anwält*innen in Anspruch nehmen. Seit Neuestem bietet der Mieterverein auch eine kostenlose Mediation für  Auszugsverhandlungen bei mehreren Hauptmieter*innen an.

Update zu Hannes: Vor ein paar Tagen bekam ich eine Nachricht von ihm. Er sei jetzt übrigens vorerst wieder in Lübeck, seiner Heimatstadt, weil die Situation in der Berliner Wohnung unerträglich geworden sei. Für ein paar paar Monate wohnt er also wieder in seinem alten Kinderzimmer und genießt den beginnenden Frühling in Schleswig-Holstein. „Mir gehts erstaunlich gut. Es ist herrlich ohne Drama. Vielleicht bleibe ich einfach ganz hier“, so seine Worte. Frisch und froh, wie ich ihn schon lange nicht mehr sprechen gehört hatte. Vielleicht ist das WG-Problem also dann doch leichter zu lösen, als gedacht.

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