Geschirr
Na, wem gehört hier welcher Teller?

Deins ist Meins?! Warum Teilen in WGs so schwierig ist

Mal was abzugeben bringt einen sicher nicht um. Aber was, wenn der Mitbewohner ungefragt die LPG-Sachen auffuttert und die neue Bettwäsche benutzt? Zu Besuch in einer Kreuzberger WG.

Von Maleen Harten

Vor einiger Zeit wohnte meine Schwester in einer WG in Kreuzberg 36, in der Nähe des Görlitzer Parks, alles cool, easy und lässig. Drei Männer, zwei Frauen. Am Anfang war sie dort sehr glücklich. Sie genoss die Lebendigkeit und Kreativität der Mitbewohner*innen, die alle irgendwas mit Kunst oder Medien machten und eigentlich immer Lust hatten was zu unternehmen.

Ich dagegen – schon damals eine Spießerin durch und durch – war von Anfang an geschockt von dem Chaos in der gesamten Wohnung, vom verdreckten Bad und der Unverblümtheit, mit der zu jeder Tages- und Nachtzeit in fremde Zimmer marschiert wurde. Letzteres hatte ich einmal erlebt, als ich mit meinem damaligen Freund kurze Zeit im Zimmer meiner Schwester gewohnt hatte. Wir lagen noch in kompromittierender Stellung im Bett, als plötzlich Lucy im Zimmer stand. Sie sagte „Guten Morgen“ und fing völlig unbeeindruckt an ihr Ladekabel zu suchen, bis wir ihr schließlich klarmachen konnten, dass das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür sei.

Für James bedeutete Großzügigkeit: Knackfrische und Bier vom Späti

Einer der anderen vier Mitbewohner*innen war allerdings besonders skrupellos. James aus England. Sehr jung, sexy, hip, doch leider lebte er die meiste Zeit in seiner eigenen kleinen Welt. Als meine Schwester einmal vor dem Besuch einer Freundin ihr Bett frisch beziehen wollte, konnte sie ihre gerade neu gekaufte Bettwäsche nirgendwo finden – bis sie sie schließlich zerknüllt und gebraucht auf James‘ Bett wiederfand. Er dachte es sei okay, wenn er sie mal ausborgen würde, er fände die Bettwäsche halt so schön. Und sie hätte ja schließlich genug davon.

Wenn meine Schwester teuren Serrano-Schinken, Ziegengouda oder Dinkelkuchen bei der LPG kaufte, konnte man sich sicher sein, dass es bereits kurz darauf von James aufgefuttert wird. Als sie ihn einmal darauf ansprach, rastete er aus. Wie verklemmt und spießig sie doch sei, man könne doch wohl teilen.

Irgendwann begann meine Schwester ihre Lebensmittel im eigenen Zimmer zu lagern. Und fühlte sich schlecht dabei. Aber warum sollte sie für James mitzahlen? Vor allem wenn sie Wert auf Bioessen legte und James nur großzügig wurde bei Knackfrischen für 30 Cent und Bier vom Späti.

Der Konflikt, was meins und was deins ist, wo der eigene Raum endet und wo der andere beginnt – dies alles zog sich wie ein roter Faden durch die gesamten fünf Jahre, in denen meine Schwester in dieser WG lebte.

Irgendwann versteckte sie ihr Geschirr im eigenen Zimmer

Natürlich gab es auch lustige Situationen. Zum Beispiel, als wir uns einmal mit der gesamten WG zum Tatort-Schauen ins Wohnzimmer setzen wollten und wieder gehen mussten, weil James dort auf dem Sofa gerade Sex mit einer Fremden hatte. Oder als er einmal relativ betrunken frühmorgens nach Hause kam. Er setzte sich in die Küche und aß den gesamten Topf mit Nudeln und Tomatensauce auf, der dort noch auf dem Herd stand. Beim Frühstück am nächsten Tag wurde gefragt, wer die Nudeln gegessen habe. Irgendwann gab James es kleinlaut zu. Er ahnte wohl, dass seine rücksichtslosen Aktionen nicht mehr so gut ankamen. Doch alle schrien vor Lachen: „Oh mein Gott, die standen da schon seit Tagen.“

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Als meine Schwester schließlich anfing ihre eigenen Tassen, Teller und Teekannen unter ihrem Sofa und hinter ihrem Schreibtisch zu verstecken – aus Angst, sie könnten sonst in der Chaos-Küche kaputt gehen – wusste sie, es war an der Zeit auszuziehen.

James dagegen wohnt dort heute noch. Über Bekannte hat meine Schwester vor Kurzem erfahren, dass es ihn tierisch aufregt, dass die neuen jungen Mitbewohnerinnen ständig seinen Wein austrinken und morgens immer laut sind, wenn sie nach Hause kommen. Tja, what goes around comes around …

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