Warten, warten, warten

Und Tschüß! Marius' Flugzeug flog ohne ihn los. Foto: ISTOCKPHOTO/PEKKA JAAKKOLA

Jugendreporter Marius startete am Flughafen in die Ferien. 27 Stunden lang


von Marius Estel, 15 Jahre


Man kann in 27 Stunden vieles schaffen. In 27 Stunden kann man zweimal von Berlin nach New York und wieder zurück fliegen. Oder alle Harry-Potter-Filme nacheinander schauen, und das sogar zweimal. Der kanadische Musiker Gonzales spielte jüngst 27 Stunden lang ein Konzert und brach somit einen Weltrekord. Man kann aber 27 Stunden auch einfach mit gar nichts verbringen. Auf einem Flughafen.


Das Schicksal gab mir dazu vor einer Woche Gelegenheit, indem es nicht nur einen kaputten Bus, sondern auch einen Stau heraufbeschwor, der es meiner Klasse und mir auf unserer Klassenfahrt unmöglich machte, unseren Rückflug nach Berlin rechtzeitig zu erreichen. Mit zwölfminütiger Verspätung kamen wir am Londoner Flughafen Gatwick an – meinem neuen temporären Zuhause, wie ich kurze Zeit später erfahren musste.


Unbarmherzig teilte uns die Beamtin am Schalter mit, dass nur Teile unserer Gruppe den Flughafen bereits früh um 6.40 Uhr des nächsten Tages verlassen könnten, während andere ihren gesamten Tag dort verbringen müssten. Schnell war klar, dass die Mädchen das Verharren am Flughafen mit einem sicheren und qualvollen Tod gleichsetzten, so blieb den Jungen das grausame Los des Wartens.


Kekse und Poker


Schnell machten wir eine Sitzecke zum Belagern aus. Genauso schnell waren unter uns Jäger für das Beschaffen von Nahrung bestimmt, meist in Form von Sandwiches, Bageln und Keksen. Erst später, während unserer nächtlichen Exkursion über das Flughafengelände sollten wir auf eine Fast-Food-Kette stoßen, die uns durch die erste warme Mahlzeit seit über einem Tag wieder neuen Elan einhauchte – den wir beim stundenlangen Pokern wieder verspielten.


Um 4 Uhr in der Frühe kam es dann zur Trennung. Einige von uns traten erlöst den Heimweg an, andere – unter ihnen der Autor – hatten weitere 15 Stunden auf dem lauten und hell beleuchteten Flughafen vor sich, dessen Klima sich den Außentemperaturen angeglichen hatte.


Nach unserer inzwischen über 24 Stunden zurückliegenden Ankunft am Flughafen konnten wir am Abend unser Lager räumen und in unser Flugzeug einsteigen, das 19.25 Uhr starten sollte – natürlich in Angst über eine womöglich spontan entstandene Aschewolke,  die uns unsere Erlösung vielleicht noch verderben könnte. Doch diesmal war uns das Schicksal hold, kurz vor Mitternacht landeten wir in Berlin.


Ich fliege dieses Jahr noch einmal. Nach London. Wenigstens weiß ich aber nun, an welchem Gate sich die Fast-Food-Kette befindet.



Habt ihr ähnlich schreckliche Feriengeschichten?

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