Vom Davonlaufen


Manchmal gibt es kein Entkommen. Meist aber schon. Und das kann gut und schlecht sein. Foto: BilderBox


Heute ist Weltflüchtlingstag. Die Jugendredaktion berichtet von Erfahrungen mit dem Fliehen


Es war ein Papst, Papst Benedikt XV., der im Jahr 1914 auf die Idee kam, regelmäßig der Schicksale der Migranten und Flüchtlinge aus aller Welt zu gedenken. Fortan wurde der Weltflüchtlingstag in jedem Jahr begangen – seit 2001 auf Initiative der UN-Generalversammlung einheitlich am 20. Juni. Die meisten Jugendlichen in Berlin dürften sich kaum vorstellen können, was es bedeutet, wegen Krieg, politischer Verfolgung, Misshandlung, Folter oder Umweltkatastrophen aus seiner Heimat fliehen zu müssen. Aber Fluchtgedanken dürfte fast jeder schon einmal gehabt haben. Auch oder gerade dann, wenn es gar nicht sein muss. Die Jugendredaktion gedenkt der Flüchtlinge der Welt in diesem Jahr mit kleinen persönlichen Geschichten rund um das Fliehen.


Ich bin eigentlich ständig auf der Flucht. Vor der Liebe. Ich hatte bis jetzt vier längere Beziehungen, und jedes Mal habe ich Ewigkeiten gebraucht, bis ich aufhören konnte, gegen meine Freunde zu kämpfen. Am Anfang jeder Beziehung bin ich mir immer sicher, dass ich das eigentlich alles gar nicht will, der Junge nicht der richtige ist, ich nicht genug Gefühle habe. Das ist aber alles nur eine Schutzmaßnahme, zumindest glaube ich das mittlerweile. Jedenfalls bin ich immer trotz aller Unsicherheit drangeblieben, bis ich doch irgendwann glücklich wurde. Aber das Gerangel mit mir selbst habe ich immer erstmal gebraucht. Mit keinem der Jungs bin ich mehr zusammen – vielleicht hat es ihnen allen zu viel Kraft geraubt, mich überhaupt dazu zu bringen, dass ich mich als ihre Freundin bezeichne. Sarah Bruckner, 21 Jahre


Wenn ich die Leute in meinem Umfeld beobachte, merke ich, dass die Flucht doch eine sehr aktive Rolle in unserem Leben spielt. Wir fliehen vor Menschen, vor der Arbeit, vor der Realität, vor schlechten Dates, vor Erfahrungen im Allgemeinen und unzähligen weiteren Gründen. Im Prinzip versuchen wir oft, vor dem Leben als solchem zu fliehen und wünschen uns stattdessen lieber in die Karibik, zum Nichtstun. Etwas, was mich die Erfahrung gelehrt hat, ist, dass ich tatsächlich vielem aus dem Weg gehen kann, nur leider mir selbst nicht.
Merieme Benali, 18 Jahre


Meine Eltern haben in einer schönen großen Altbauwohnung im Prenzlauer Berg gelebt, bevor sie sich zur Flucht entschlossen haben. Über die Botschaft in Prag wollten sie in den Westen gelangen. Ich habe sie aus dem Bauch heraus schon begleitet, aber das wussten sie damals noch nicht. Erstmal ging es dann in eine Turnhalle nach Nordrhein-Westfalen, in der wir ein paar Wochen lang mit vielen anderen DDR-Flüchtlingen lebten. Wenigstens ich hatte es bequem. Die nächste Station war eine Drei-Raum-Wohnung im Wedding, in der wir mit drei anderen Familien lebten. Geboren wurde ich zum Glück erst, als meine Eltern sich schon wieder eine eigene Wohnung leisten konnten.
Andreas Schmitta, 22 Jahre


Während meiner Rebellenphase bin ich ständig vorm Lernen geflüchtet. In der Schule war ich eigentlich nur, wenn mir sonst nichts Besseres eingefallen ist. Zum Glück hat sich meine Anti-Haltung bald gelegt, sitzen geblieben bin ich nur einmal.
Eileen Grossenkrug, 17 Jahre


Ich bin mal vor meiner Mutter geflüchtet wegen eines blöden Streits übers Saubermachen. Sie meinte, ich dürfte erst wieder aus dem Haus, wenn mein Zimmer aufgeräumt wäre. Ich bin dann einfach aus der Tür, da platzte meiner Mutter der Kragen, und sie lief mir in ihren Hausklamotten hinterher auf die Straße. Sie hat richtig die Kontrolle verloren. Natürlich war ich schneller, aber irgendwann tat sie mir leid, und ich bin mit ihr zurück nach Hause gegangen.
Maximilian Nadalin, 18 Jahre


Wovor seid ihr schon einmal geflohen? Schreibt uns eure Geschichten hier oder auf Facebook.

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