Roter Vorhang
Interview

„Mein Zimmer ist eine Bühne“: Unialltag eines Schauspielstudenten in Corona-Zeiten

Tausende Studierende lauschen dieser Tage den Zoom-Vorlesungen ihrer Dozenten. Aber Ludwig studiert Schauspiel. Wie das vor der Webcam gehen soll? Leicht ist es jedenfalls nicht.

Von Kristina Vasilevskaja

Ludwig Michael ist einer von den hunderten Studierenden, die gerade nicht einfach via Zoom Vorlesungen lauschen oder Reader lesen, sondern versuchen, ein praktisches Schauspielstudium per Videounterricht zu meistern. Das Zimmer verwandelt sich plötzlich in eine Bühne und das Format des Videochats ist auf einmal der Spielraum, in dem man sich als Schauspielkünstler bewegt. Voraussetzung für ein Schauspielstudium waren schon immer Fantasie und Vorstellungsvermögen. Genau das wird gerade abverlangt – das Studium entwickelt sich zum kreativen Hindernis.

Wie muss man sich deinen Unialltag zu Hause gerade vorstellen? Hältst du theatralische Monologe im WG-Zimmer?

Ja, das ist nicht ganz falsch. In meinem Fach „Szene“ habe ich einen Videochat mit meiner Dozentin. Ich werfe mich dann in mein Kostüm und ziehe ein Bettlaken über mein Bücherregal, damit ich einen neutralen Hintergrund habe. Dann setze ich mich vor die Webcam und fange an, meinen Monolog zu spielen. Das Zimmer wird dann sozusagen zu meiner Bühne. Meine Dozentin ist die Person, mit der ich eigentlich eine Konversation führe, nur sie sagt nichts, sondern verbessert mich. Es ist schon etwas albern, zu versuchen, vor einer Webcam eine Bühne zu imitieren. Die Bühne ist einfach anders. Andererseits ergeben sich interessante Situation. Bei „Romeo und Julia“ kannst du die Balkonszene ziemlich gut auf ein Telefonat adaptieren, weil die sich ja nicht treffen können. Das ist schon witzig. Die Spieler können sich ja auch nicht treffen, sondern müssen das über Zoom meistern. Du versuchst eine Realität aufzubauen, das ist schon eine echte Herausforderung.

„Ich brauche irgendein Feedback, ein Husten oder ein Räuspern ist mir da schon genug.“

sagt Schauspielstudent Ludwig

Dein Studium beinhaltet auch viel körperlich aktiven Unterricht. Wie ist das gerade möglich?

Schauspielstudent Ludwig vor seiner Webcam

Das machen wir auch über Zoom, in meinen vier Quadratmetern. Der Platzmangel ist ein ziemliches Problem. Mittlerweile treffen wir uns auch einmal wöchentlich in kleiner Runde draußen für Übungen. Aber einige Inhalte können gar nicht realisiert werden, Paartanz zum Beispiel.

Hast du gerade annähernd so viel Unterricht wie normalerweise?

Nein, wir haben sehr viel weniger Unterricht, das ist aber auch gut, weil es viel anstrengender ist vor der Webcam in einer Gruppe zu agieren. Normalerweise habe ich 40 bis 50 Stunden die Woche, jetzt sind es ungefähr 20 Stunden. Es ist entspannter aber auch schade, weil alles nur 50 Prozent deckt von dem, was eigentlich Inhalte des Semesters sind. Man kann auch schlecht etwas Neues lernen, daher reaktivieren wir gerade eher bereits Gelerntes. Während der Sitzungen ist es echt ätzend, denn wenn du eine gute Qualität haben willst, müssen die anderen ihren Laptop stumm schalten. Dann bekommst du aber keine Antwort, du sprichst ins Nichts, damit muss man zurechtkommen. Ich brauche irgendein Feedback in der Gruppe, ein Husten oder ein Räuspern ist mir da schon genug.

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Hast du das Gefühl, trotz der Situation gerade etwas zu lernen?

Es ist besser als nichts, trotzdem ist die derzeitige Situation eine Begrenzung des Möglichen. Zwar ist Schauspielern ein Beruf, auf den du nie ganz vorbereitet bist. Das macht Kunst aus. Aber das Sprechtraining zum Beispiel lässt sich gerade kaum umsetzen, denn die Stimme funktioniert ganz anders in der Realität als über das Mikrofon. Fürs Singen müssen wir deshalb Audiodateien aufnehmen und schicken sie dann dem Dozenten. Das ist langwierig.

Viele Theater führen gerade Stücke vor leeren Rängen auf und stellen sie als Streams ins Netz. Wie findest du das?

Körperliche Präsenz ist ein brisantes Thema, gerade jetzt. Ich glaube, dass das auf Dauer nicht geht, denn Theater lebt davon, dass man Menschen vor sich hat. Menschen werden mit Menschen live konfrontiert. Das hast beim Streaming nicht. Wenn da jemand vor dir schreit oder sich die Seele aus dem Leib weint, nackt vor dir herumtanzt, kannst du das nicht einfach ausschalten oder leiser stellen. Ich denke deshalb, dass wir Theater brauchen, genauso wie physische Präsenz.

Was sagen eigentlich deine Mitbewohner*innen, wenn es mal laut bei dir im Zimmer wird, weil du singst oder schauspielerst?

Die kenne mich ja, sie merken jetzt aber, dass ich den ganzen Tag zu Hause bin. Ich habe bisher aber keine Beschwerden bekommen, dass ich zu laut bin. Ich wäre schon eingeschränkt in meinem Spielen und überhaupt, wenn ich in einer Mietwohnung mit dünnen Wänden lebte, als Schauspieler fühlst du dich dann sehr eingeschränkt.

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