Teilen oder nicht?
Zwei Strichmännchen teilen sich einen Keks.
Klartext

Nicht zu teilen ist „übertrieben deutsch“

Unter uns Migrantenkindern war es selbstverständlich, ein Knoppers zu teilen. Unter Deutschen ist das leider häufig anders.

Ich erinnere mich noch bildlich an eine Situation auf dem Hof meiner Grundschule in Kreuzberg. Ein Junge hatte ein Knoppers dabei. Ohne danach gefragt zu werden, bricht er es in Stücke und verteilt es wortlos an drei andere. Unter uns Migrantenkindern stand es nie zur Debatte, ob man teilt. Es war die Norm. Einige Jahre später bin ich auf einem Gymnasium in Friedrichshain. Ich frage einen deutschen Klassenkameraden, ob ich einen Schluck aus seiner Wasserflasche haben dürfte. Er verneint, es sei ja schließlich seins.

Sicher gab es
 auch unter den Kindern auf meiner Grundschule welche, die ungern teilten. Der Unterschied liegt darin, dass sie damit rechnen mussten, „Geier“ oder „übertrieben deutsch“ genannt zu werden, während unter den deutschen Schülern Nicht-Teilen eine legitime Option war.

Das imaginäre Konto im Kopf

Diesem Kontrast aus meiner Kindheit begegne ich auch heute noch immer wieder. Viele wählen ausschließlich den Weg, der für sie als Einzelner die meisten Vorteile bietet – und finden das total normal.

Eine Verabredung kurzfristig absagen, weil sich eine noch bessere Abendplanung ergeben hat. Jemandem einen Gefallen tun, nur um dann zu sagen: „Jetzt hab ich aber was gut bei dir.“ Ständig blitzt ein imaginäres Konto im Kopf auf, das jede Entscheidung auf persönlichen Profit abwägt. Das Individuum steht über allem, gemeinschaftliches Denken haben viele nie gelernt.

Ich bin dankbar, in einem Umfeld aufgewachsen zu sein, das solches Handeln entschieden verurteilt. Dass ich früh Werte wie Verbindlichkeit, Loyalität und Solidarität vermittelt bekommen habe. Alles Dinge, an denen es heute oftmals mangelt.

 

Beitragsbild: Pixabay

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Kategorien Schule Schule & Zukunft

Warum ich bei Spreewild mitmache? Um mir Dinge von der Seele zu schreiben, die mich schon lange beschäftigen. Ich mache mit viele Gedanken über Missstände, Ungerechtigkeit und ähnliches – eigentlich über alles, was meiner Meinung nach schief läuft in unserer Welt. Zum Glück befasse ich mich aber auch gerne mit schöneren Dingen, wie Musik und Filmen.