Lehrer, wo ist euer Vertrauen?
In der kommenden Woche beginnt das zweite Schulhalbjahr – die Erfahrung zeigt, dass nach einer Woche Faulenzen die Zuspätkommer-Quote am Montag deutlich höher sein dürfte als gewöhnlich. Lehrer sind darüber zu Recht nicht erfreut.
Im vergangenen Halbjahr habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass selbst entschuldigtes Fehlen oder Zuspätkommen bei meinen Lehrern einen Blick hervorruft, mit dem sie Darth Vader Konkurrenz machen könnten. Worauf ich hinaus will, ist, dass viele Lehrer offenbar Vorurteile gegen ihre Schüler hegen. Mein Lehrer sprach mich vor Kurzem auf eine Fehlstunde an. Ich erklärte ihm, dass ich zu der betreffenden Zeit bei einem Schulprojekt war. Doch aufgrund seiner Körpersprache erkannte ich, dass sich in seinem Kopf ein Begriff eingenistet hatte, den ich nicht mehr von dort verbannen konnte: Schwänzerin.
Warum glauben alle Lehrer, dass man schwänzt, wenn man nicht in der Schule ist? Man bringt einen Krankenschein mit, hat Entschuldigungen von Eltern, Ärzten oder sogar anderen Lehrern (wie im Fall des besagten Schulprojekts), trotzdem weiß man, dass die Lehrer nur an das eine denken: Der Schüler schwänzt.Meistens gleich mit der passenden Begründung im Kopf: wieder bis spät in die Nacht Computer gespielt, ferngesehen oder gechattet.
Wie würde es den Lehrern gehen, wenn wir jeden Tag vor dem Vertretungsplan stünden – der manchmal zwei Seiten lang ist – und uns darüber ausließen, wie oft sie keinen Bock auf die Schule und uns Schüler haben? Man stelle sich vor, wie die Schüler sich um den Aushang versammeln und hämische Sätze austauschen wie „Soso, Herr Drescher hat also wieder bis in die Puppen am Klavier gesessen, weil er nicht aufhören konnte, Mozart zu klimpern – und dann morgens nicht rauskommen“ oder „Da hat sich Frau Müller wohl mal wieder nicht von der Arte-Kulturnacht losreißen können“. Schön auch die Beschuldigung der Fachbereichsleitung Deutsch: „Da ist die neue Goethe-Ausgabe wohl mal wieder so spannend, dass wir heute keine Zeit für die Schule haben.“ Anders als wir Schüler würden Lehrer bei solchen Vorwürfen doch automatisch in Angriffsposition gehen – oder ist das etwa ein Vorurteil?
Corinne (17 Jahre)