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Ekliges Büfettessen, aber roter Teppich: Abibälle in Großstädten

Für viel Geld versprechen Veranstaltungsfirmen einen unvergesslich glamourösen Abiball. Doch kaum einer kann halten, was er verspricht. Denn das einzige was unvergessen bleibt, sind die kalte, ungesalzene Tomatensoße und die verkochten Nudeln des Buffets.

Von Tamina Grasme, 21 Jahre

Gerade war wieder die Zeit der Abiturprüfungen, der Zeugnisvergaben – und schließlich auch der Abibälle.Vor drei Wochen besuchte ich den Abiball meiner kleinen Schwester und musste feststellen, dass er meinem vor drei Jahren erschreckend ähnelt. Nein, er ähnelte ihm nicht nur – es war quasi das gleiche Fest! Mein Abiturjahrgang hatte vor vier Jahren an einem Videowettbewerb teilgenommen und einen Abiball gewonnen. Gedanken um die Finanzierung und Organisation mussten wir uns so kaum machen. Das funktioniert leider nicht bei allen so und geht dann, wie im Fall meiner Schwester ebenso, für die Familien der Abiturienten sehr ins Geld.

Statt Bierbänke in der Turnhalle muss es heute eine Halle in weiß sein

Durch die in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl der Abiturienten, hat sich besonders in den größeren Städten eine enorme Nachfrage für Abibälle entwickelt. Heute möchte nämlich keiner mehr ein paar Bierbänke in der Turnhalle aufstellen. Stattdessen möchten die Abiturienten ihre Hochschulzugangsberechtigung so pompös wie möglich feiern. Unzählige Veranstaltungsfirmen sahen hier ihre Chance und bieten seitdem reihenweise das Gleiche an: Die Organisation eines auf Luxus getrimmten Einheitsbreis. Und das lassen sich die Firmen teuer bezahlen.

Der Jahrgang meiner Schwester musste eine Spendenaktion nach der anderen organisieren, damit die Ticketpreise am Ende bei 50 Euro liegen konnten. Ein teurer Spaß. Hinzu kommen noch die Ausgaben für das Ballkleid, die passende Tasche, Schuhe sowie Ersatzschuhe und das Zweitkleid für die wilde Party nach dem Abiball. Die Eltern männlicher Abiturienten scheinen dabei günstiger wegzukommen, es werden nur Schuhe und ein Anzug benötigt.

Abibälle in Großstädten sind mehr Massenabfertigung als rauschendes Fest

Für 200 € Eintritt bekommt eine vierköpfige Familie dann meist ungemütliche, in sterilem Weiß dekorierte Halle, drinnen und draußen eine Fotowand mit einem mehr oder minder talentiertem Fotografen, ungewürztes und langweiliges Büfettessen und einen fürchterlicher DJ geboten. Was daran alle so toll finden, kann ich wirklich nicht verstehen. Ja, auch mein Jahrgang hatte so einen Abiball organisiert. Das lag aber schlicht weg daran, dass von dem Veranstalter, der den durch uns gewonnenen Videowettbewerb gesponsort hatte, nur diese Art angeboten wurde. Es gibt gar nichts anderes mehr, es sei denn, die Schüler organisieren alles selbst. Und selbst das ist kaum noch möglich, da die großen Veranstaltungsfirmen so gut wie alle in Frage kommenden Locations schon ein Jahr zuvor für die Wochenenden im Juni oder Juli reservieren. Abibälle in Großstädten sind zu einer einzigen Massenabfertigung verkommen.

Die einzige Variable in dieser immergleichen Trostlosigkeit ist das durch die Lehrer und Schüler organisierte Programm. Durch die Reden oder Fotoshows werden etwas Individualität und Kreativität auf diese eintönigen Veranstaltungen gebracht. Diese können, wie im Fall von meiner Schwester, auch wirklich gut sein. Doch am Ende bleibt leider trotzdem nur eine x-beliebige Veranstaltung übrig, die so besonders ist wie ein Hipster im St. Oberholz – schade eigentlich.

Beitragsfoto: Dmitry Tsvetkov / Fotolia

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Kategorien Klartext Schule Schule & Zukunft

Wenn ich, 22, eine Top 5-Liste mit Sätzen, die ich in den vergangenen drei Jahren am häufigsten gehört habe, aufstellen würde, wäre „Was wird man denn so nach einem Geschichtsstudium?“ ganz weit oben vertreten. Zum Glück habe ich mittlerweile eine Antwort darauf gefunden: Journalistin. Darauf gekommen bin ich durch das Lesen von Harald Martensteins Artikeln, der selber Geschichte studiert hat. Von ihm habe ich auch meinen neuen Zukunftsplan: einfach immer schreiben. Genau das mache ich jetzt hier bei Spreewild, nachdem mir mein Praktikum in der Jugendredaktion so gut gefallen hat.