Interview

Bundeswehr nach dem Abi: „Ich würde das heute auf keinen Fall mehr machen“

Anstatt nach dem Abitur ein Studium zu beginnen, verpflichtete sich Markus für 12 Jahre bei der Bundeswehr. Das stellte sich für ihn schnell als Fehlentscheidung heraus.

Zum Zeitpunkt der Verpflichtung für einen zwölfjährigen Wehrdienst als Feldwebel war Markus erst 22 Jahre alt. Er hatte sein Abi geschafft, aber anstatt wie die meisten seiner Mitschüler ein Studium zu beginnen, wollte er sich in Pfullendorf am Bodensee zum Fallschirmjäger ausbilden lassen. Nach vier Jahren Dienstzeit hat er die Bundeswehr nun verlassen. Im Interview berichtete Markus von seinen Erfahrungen.

Wie bist du auf die Idee gekommen, zum Bund zu gehen?
Ein Schulfreund träumte davon. Viele in seiner Familie haben das gemacht und sein Vater arbeitet im Sicherheitssektor. Er war mein erstes Vorbild. Ich wollte, wie er, bei der Bundeswehr Qualifikationen sammeln für eine spätere Laufbahn im Sicherheitsdienst. Ich hatte das Ziel, mich als Gruppenführer im Einsatz zu beweisen. Dieser Freund hat den für Abiturienten schlaueren Weg eingeschlagen und ist Offizier geworden. Sein Studium hat er inzwischen abgeschlossen, enttäuscht ist er aber genauso wie ich.

„Ich habe kaum eine Handvoll Befehlshaber kennengelernt, die ich respektieren konnte.“

Wo kommt diese Enttäuschung her?
Zum Beispiel ist auf Lehrgängen dienstlich gelieferte Ausrüstung vorgeschrieben. Vieles davon wurde seit dem ersten Weltkrieg nicht verbessert und behindert nur. Ein reflektiertes Ausleben des Berufs durch optimale Ausrüstung, die wir uns selbst gekauft haben, ist untersagt. Dann gibt es viel Landesstolz und Arroganz in höheren Positionen. Dabei ist der „deutsche Offizier“ nicht besser als jeder andere, wegen der wenigen Einsatzerfahrung eher schlechter. Ich habe kaum eine Handvoll Befehlshaber kennengelernt, die ich respektieren konnte.

Wie waren die Reaktionen von Freunden und Familie auf deine Entscheidung, zum Bund zu gehen?
Man hat mich unterstützt, wie man das in jeder anderen Berufswahl auch täte.

Wie lief die Bewerbung ab?
Dazu macht man einfach einen Termin mit einem zuständigen Wehrdienstberater. Die Typen sind das letzte Kruppzeug. Leider war einiges, was man mir dort erzählt hat, gelogen, etwa über die Aufstiegsmöglichkeiten und die Versorgung. Für die „kostenlose“ Unterkunft und Verpflegung mussten wir monatlich Geld von unserem Sold abtreten. Und das Kantinenessen ist natürlich nicht so toll. In den meisten Kasernen reichten mir die Portionen nicht mal. Außerdem müssen wir alles, was uns an Kleidung und Ausrüstung kaputt oder verloren geht, selbst bezahlen. Eine private Haftpflichtversicherung ist da unerlässlich.

„Die Grundausbildung bestand hauptsächlich darin, möglichst oft und viel an körperliche Grenzen zu stoßen.“

War die Ausbildung so wie du es erwartet hattest?
Ich wurde weniger ausgebildet, als ich erwartet hatte. In der Grundausbildung wurde uns militärisches Grundverhalten beigebracht und wie man die Uniform trägt. Das war es auch schon. Der Rest der drei Monate bestand darin, möglichst oft und viel an körperliche Grenzen zu stoßen. Es gab Lehrgänge, deren Inhalt man in wenigen Tagen lernen könnte. Und veraltet waren die auch, zum Beispiel werden Kampfmodelle geübt, die heutzutage kaum noch Einsatzrealität sind. Relativ spät fing die Fachausbildung in den verschiedenen Truppengattungen an. Ich war bei den Fallschirmjägern. Das war einigermaßen lehrreich.

Wie hast du die militärische Kameradschaft erlebt?
Meine Erfahrungen damit waren sehr unterschiedlich. In Pfullendorf war es so, wie man sich das vorstellt, wir haben zusammen gelebt. Da habe ich auch meinen besten Freund kennengelernt. Bei den Feldjägern dagegen, zu denen ich nach der Ausbildung gewechselt bin, gibt es viel Neid und Konkurrenz, von Kameradschaft kann da keine Rede sein.

„Ich kann niemandem eine Bundeswehrkarriere empfehlen. Ich würde das heute auf keinen Fall mehr machen.“

Dein eher unfreiwilliger Ausstieg ist kein Thema über das du reden willst. Aber wie fühlst du dich jetzt damit?
Ich bin froh nicht mehr festzustecken und neue Perspektiven zu haben. Die Art, wie ich entlassen wurde, ist nicht schön: Ich wurde von heute auf morgen gekündigt, bekomme keine Abfindung. Ich habe Zeit verloren, unnötigen Stress gehabt, das wenige Gelernte kann ich nicht anwenden. Das einzig positive ist mein bester Freund. Ich kann niemandem eine Bundeswehrkarriere empfehlen. Ich würde das heute auf keinen Fall mehr machen.

Was hast du jetzt vor?
Ich will ein Chemiestudium beginnen, das lag mir schon immer. Ich freue mich darauf, mein Gehirn wieder einschalten zu können.

Es wird diskutiert, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Was denkst du darüber?
Die Wehrpflicht ist zeitlich begrenzt und kann charakterstärkende Erfahrungen vermitteln, das ist eine gute Sache. Die Umstände innerhalb der Bundeswehr werden sich dadurch aber nicht verändern.

Das Interview führte Mirjam Koch, 24 Jahre

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