Chance für Chancenlose: Zu Besuch im Ausbildungs- und Kulturcentrum

Jährlich finden viele junge Menschen in Berlin keine Ausbildungsstelle – insbesondere junge Frauen und Alleinerziehende mit schulischen oder sozialen Problemen oder belastenden Lebenssituationen. Das Ausbildungs- und Kulturcentrum in Schöneberg gibt ihnen eine zweite Chance.

Gerade hat Elif (Name geändert) erfolgreich ihre Gesellenprüfung abgeschlossen. Das ist eine kleine Besonderheit, wenn man bedenkt, dass die 33-Jährige vergangenes Jahr ihr sechstes Kind zur Welt gebracht hat. Dass Elif es geschafft hat, neben dem Familienleben eine Ausbildung zu absolvieren, hat sie nicht zuletzt ihrer Ausbildungsstätte zu verdanken: dem Friedenauer Ausbildungs- und Kulturcentrum, kurz AKC, das sich speziell an junge Mütter und Frauen zwischen 16 und 21 Jahre richtet. In den hauseigenen Werkstätten können sie sich zur Goldschmiedin, Maßschneiderin oder Änderungsschneiderin ausbilden lassen. Vermittelt werden sie über die bezirklichen Jugendberufsagenturen, die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter.

„Wir bieten jenen, die aufgrund verschiedener biografischer Ursachen auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Erfolg haben, eine Perspektive“, erklärt die Leiterin Ursula Colbow. Das treffe beispielsweise auf Mädchen und Frauen zu, die Schwierigkeiten im Elternhaus haben, schlecht in der Schule waren oder schon früh Mutter wurden. „Sie haben einen besonders hohen Beratungs- und Unterstützungsbedarf“, sagt Colbow. Deshalb bietet der Verein zusätzlich zur Ausbildung Beistand durch Sozialpädagoginnen und eine sogenannte Stützlehrerin. Letztere hilft den Frauen, die Inhalte der Berufsschule zu bearbeiten.

Alle Mitarbeiterinnen im AKC sind weiblich. So entsteht ein geschützter Raum, in dem die Auszubildenden ihre Fähigkeiten voll entwickeln können. Das sei insbesondere für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder aus religiösen Gründen nicht mit Männern zusammenarbeiten dürfen, wichtig. „Wir wollen ihnen das Zutrauen geben, in die Welt zu gehen“, so Colbow.

Selbstvertrauen hat auch die 21-jährige Defne (Name geändert) gewonnen, die ihre Gesellenprüfung zur Maßschneiderin ebenfalls erst vor Kurzem abgeschlossen hat. Die Ausbildung habe ihr gut gefallen, erzählt sie. „Hier kann jeder sein Tempo selber bestimmen.“ Vor drei Jahren kam sie durch das Jugendamt zum AKC. Stolz zeigt Defne einen langen schwarzen Mantel, eines ihrer zwei Gesellinnenstücke. Jetzt will sich die junge Frau selbstständig machen.

Von Leonie Schlick, 21 Jahre

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