Unterricht wider Willen? Streit über Sechs-Tage-Woche am Goethe-Gymnasium

Von Roswitha Engelen, 21 Jahre

Während die meisten Jugendlichen noch schlafen, sitzen die Schüler des Wilmersdorfer Goethe-Gymnasiums bereits wieder im Klassenraum. Jeder zweite Sonnabend ist für sie ein ganz normaler Schultag, an dem vier Unterrichtsstunden auf ihrem Lehrplan stehen.

Seit Jahren praktiziert das grundständige, altsprachlich-humanistische Gymnasium die Sechs-Tage-Woche. Das soll die Schüler unter der Woche entlasten und ihnen mehr Zeit für Freizeitaktivitäten schenken. Die Fortführung des Wochenendunterrichts, die Schulleiterin Gabriele Rupprecht in diesem Schuljahr erstmals seit 1994 zur Abstimmung gestellt hatte, sei von der Schulkonferenz mit großer Mehrheit beschlossen worden. „Die Schüler und Eltern haben sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, bei der Lehrerschaft war das nicht ganz so eindeutig“, berichtet Rupprecht. Geschätzt werde neben der Stundenentlastung unter der Woche auch die entspannte, konzentrierte Atmosphäre.

Doch nicht alle Schüler halten viel davon, noch einen weiteren Tag früh aufstehen zu müssen. „Es ist Wochenende, das sollte ganz mir gehören“, meint Elmir aus der neunten Klasse. Er findet es außerdem unfair, dass viele seiner Freunde, die keinen Samstagsunterricht haben, wochentags trotzdem nicht mehr Stunden hätten. Auch die 14-jährige Emelie kann dem zusätzlichen Schultag nichts Positives abgewinnen: „Samstags bin ich viel unmotivierter, ich habe das Gefühl, für vier Stunden bringt der Unterricht gar nichts.“

Laut Elmir und Emelie seien nicht nur viele Schüler genervt, sondern auch einige Lehrer: „Wir hatten mal eine Ethiklehrerin, die uns deutlich gezeigt hat, wie wenig sie vom Schulsamstag hält“, sagt Elmir. Für die beiden steht fest, dass die meisten Eltern dafür gestimmt haben müssen, anders können sie sich die Entscheidung für die Fortführung des Unterrichts am Sonnabend nicht erklären.

Anna und Lukas, die ebenfalls in die neunte Klasse gehen, teilen die Meinung ihrer Klassenkameraden hingegen nicht: „Samstags ist der Unterricht viel entspannter. Alle sind ruhiger, weil sie müde sind, so herrscht eine bessere Lernatmosphäre“, erklärt Lukas. Anna ermöglichen die fehlenden Stunden unter der Woche ein straffes Freizeitprogramm, bestehend aus Chor und Klavier. Doch ihre Mutter hält nicht viel davon: „Sie sagt, der Samstagsunterricht würde die ganzen Wochenendpläne der Familie zerschießen“, lacht Anna.

Auch wenn die beiden die Regelung des Gymnasiums befürworten, haben sie das Gefühl, dass über die Köpfe der Schüler hinweg entschieden worden sei. „Wir wundern uns, dass überhaupt eine Mehrheit gefunden wurde, denn nach unserer subjektiven Einschätzung sind ungefähr drei Viertel der Schüler gegen den Unterrichtssamstag.“ Sie hätte sich eine faire, transparente Abstimmung gewünscht. „Wir haben nie Zahlen zu Gesicht bekommen, wie die Abstimmung der Schüler wirklich ausgefallen ist, deswegen ist das Ergebnis fraglich“, bekräftigt Anna ihre Zweifel.

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Stellungnahme der Schülersprecher der Jahre 2015/16 und 2016/17 vom 9.01.2017: „Wir möchten klarstellen, dass es zur Abstimmung zur Abschaffung des Schulsamstags, nach einer umfangreichen Podiumsdiskusion, eine demokratische Meinungsumfrage der Schülerschaft innerhalb jeder Klasse von den jeweils gewählten Vertretern gab, welche anschließend in der SV-Sitzung zusammengetragen wurde. Das Ergebnis war eine 2/3 Mehrheit für die Beibehaltung des Schulsamstages. In diesem Verhälnis wurden auch die Schülerstimmen in der Schulkonferenz abgegeben, die ihrerseits mit einer 3/4 Mehrheit die Beibehaltung beschloss.“

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