Erstsemester

Glosse: Das Verhalten der Erstsemester in freier Wildbahn

Du bist Ersti – willst aber nicht sofort als Neuling auffallen? Margarethe hat ein paar Tipps. Eine Glosse.

Wer in dieser Woche voll Ehrfurcht erstmals durch die Gänge seiner neuen Universität wandelt, möchte dabei vor allem eines nicht: als planloser Neuling auffallen. Allerdings scheinen Erstsemester so leicht erkennbar zu sein, als hätte sie jemand mit neongrünen Post-its markiert. Wo kommt es nur her, das unsichtbare Ersti-Abzeichen? Hier ein paar Ratschläge, was Studienanfänger unbedingt vermeiden sollten.

Ein besonders starkes Indiz dafür, dass man neu eingeschrieben ist, ist temporaler Art. Verkündet nämlich der Stundenplan unheilvoll, eine Veranstaltung beginne um 8 Uhr, ordnet der Unineuling bereits zur vollen Stunde nervös seine Textmarker nach Farben. Dass die unscheinbare Angabe c. t. (cum tempore) einen um 15 Minuten verzögerten Beginn signalisiert, ist selbst manchem Latinum-Besitzer neu. Die alten -Institutshasen schlurfen zumeist sogar erst 15 Minuten nach der akademischen Viertelstunde, am Kaffeetropf hängend und mit vampiresken Gesichtsausdrücken, ins Seminar.

Daran zeigt sich der zweite Fauxpas: Überhaupt um 8 Uhr in der Uni zu sein, macht einen höchst verdächtig. Dass irgendetwas mit dieser Zeit nicht stimmen kann, offenbart der Blick auf leere Sitzreihen. Der ambitionierte frühe Vogel am -Institutshorizont ist in der Regel ein frisch geschlüpfter. Seine Anwesenheit beweist: Er hat die Nacht nicht durchgesungen. (Anm. d. Autorin: „Nacht“ bezeichnet den Zeitraum, in dem auf dem WG-Sofa das theoretische Fundament für den ersten -Oscar/Nobelpreis/Patentantrag entstehen sollte).

Manchmal kann man jedoch gar nichts für sein Unglück. Zum Beispiel, wenn die Online-Anmeldung für das Lieblingsseminar nicht klappt. In diesem Fall schickt der Ersti eine E-Mail an den Kursverantwortlichen, in der er mit viel Pathos erläutert, warum sein Überleben von der Teilnahme an dieser Veranstaltung abhängt. Die Nachricht sendet er an die hochverehrte Frau Professor Dr. Dr. und verbleibt am Ende hochachtungsvoll. Enttäuschend ist es nur, wenn als Antwort ein Einzeiler mit vielen Grüßen und dem Hinweis „von meinem iPhone gesendet“ kommt. Profs sind im Regelfall keine grauen Eminenzen, sondern echte Menschen, die täglich einen formellen Papierkrieg ausfechten. Statt mit ihren Titeln beworfen zu werden, freuen sich die meisten von ihnen über ein wenig Freundlichkeit.

Auch abseits des Lehrbetriebs bietet der Unialltag Gelegenheiten, in Ersti-Fallen zu tappen. In der Mensa mit Kleingeld, statt mit Mensakarte bezahlen zu wollen, gehört dazu. Eine Entschuldigung zu schreiben, wenn man nicht zum Seminar kommen kann, weil die Katze entlaufen ist oder man einen Kater hat, auch. Derart auffälliges Verhalten hat jedoch einen entscheidenden Vorteil: Man erkennt andere Erstis zweifelsfrei und kann mit ihnen Fineliner tauschen. Und im besten Fall leisten ältere Semester Ersti-Hilfe.

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Kategorien Schule & Zukunft Uni & Ausbildung

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.