Prominent gefragt: Renate Künast


Renate Künast 
ist Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Foto: Stefan Kaminski)
Renate Künast fragt die Jugendredaktion: „Im März 2011 feiern wir 100 Jahre 
Internationalen Frauentag. Was muss passieren, damit Frauen und Männer die gleichen Chancen haben? Oder ist schon alles okay?“


Die Jugendredaktion antwortet: Sehr geehrte Frau Künast, wenn man sich das gegenwärtige Personal in der deutschen Politik ansieht, könnte man zu der Gegenfrage kommen, wer Ihrer Meinung nach derzeit denn die schlechteren Chancen hat – Männer oder Frauen. An der Spitze Deutschlands steht mit Angela Merkel eine Frau. Fünf Ministerinnen sitzen in ihrem Kabinett. Mit Gesine Schwan kandidierte in den vergangenen Jahren gleich zweimal eine Frau für das höchste Staatsamt, gut, erfolglos, aber immerhin. In Nordrhein-Westfahlen regiert seit einigen Monaten eine Ministerpräsidentin. Und auch international ist die Riege der Frauen nicht schlecht aufgestellt: Über Hillary Clinton behaupten böse Zungen, sie habe im Weißen Haus mit Aktenordnern nach ihrem Mann geworfen, als der noch Präsident war. Gesichert ist die Information keinesfalls, vorstellbar schon. Seit bald zwei Jahren hat sie nun wieder die Möglichkeit, das Regierungsgebäude zu verwüsten – inzwischen ist sie selbst Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika.


In Großbritannien musste sich erst in der vergangenen Woche der Papst – Vorstand einer Kirche, in der es Frauen bis heute nicht erlaubt ist, religiöse Ämter zu bekleiden – von einer Frau zum Staatsbesuch empfangen lassen. Und wenn Queen Elisabeth II. nicht nur die Affinität zu albernen Hüten, sondern auch die Langlebigkeit ihrer Mutter geerbt hat, dann braucht man sich im Königreich in den nächsten Jahren ebenfalls keine Sorgen um die weibliche Präsenz in Spitzenämtern zu machen.


Dass es so schlimm um die Chancengleichheit von Männern und Frauen also nicht mehr bestellt ist, lässt sich seit Kurzem im Übrigen auch statistisch belegen: Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Berliner Zeitung hat ergeben, dass eine gewisse Politikerin der Grünen, wenn sie für das Bürgermeisteramt in Berlin kandidieren würde, womöglich bessere Chancen hätte, gewählt zu werden, als der amtierende Regierende Bürgermeister. Sie selbst, Frau Künast, sind also ein lebender Beweis dafür, dass Männer und Frauen heute zumindest politisch gleiche Chancen haben.


Alles okay wird indes erst dann sein, wenn Sie womöglich im nächsten Jahr zur Regierenden Bürgermeisterin Berlins gewählt werden, aber niemand mehr davon sprechen oder schreiben würde, dass Sie die erste Frau sind, die dieses Amt bekleidet. Denn nur wenn Ihr Geschlecht in der Diskussion um Ihre Politik keine Rolle mehr spielt, ist klar, dass es für den Erfolg unwichtig ist.


Ihr Vivian Yurdakul (20 Jahre)


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