Fridays for Future
Am 20. September ruft „Fridays for Future“ zum globalen Generalstreik auf.
Interview

Fridays for Future Berlin: „Wir haben nicht viel erreicht“

Unermüdlich engagiert sich die 16-jährige Schülerin Hannah Blitz bei „Fridays for Future“. Mit dem, was die Bewegung in einem Jahr geschafft hat, ist sie aber nicht zufrieden.

Du gehörst seit Dezember zum Berliner „Fridays for Future“-Team. Was genau sind deine Aufgaben?
Ich war anfangs schockiert, wie viel dazu gehört. Von Absprachen mit der Polizei über das Organisieren von Ordnern bis hin zum Festlegen der Demoroute fallen unzählige Aufgaben an. Anfangs waren wir zu zehnt, aber die Aufgaben sind uns irgendwann über den Kopf gewachsen. Mit zehn Leuten einen Streik mit 26.000 Menschen zu organisieren ist nicht die beste Idee! Momentan beteiligen sich zwischen 20 und 35 Leute aktiv an der Organisation der Demonstrationen. Ich persönlich bin eine der in Berlin gewählten Pressesprecherinnen, mache aber auch bei der Demokoordination mit – zum Beispiel für den 20. Septmeber.

Der 20. September verspricht interessant zu werden. Dann ruft ihr zum weltweiten Generalstreik auf. Wie wird diese Demo sich von den anderen unterscheiden?
Am 20. September rufen wir unter dem Slogan „Alle für’s Klima“ Jung und Alt zum Generalstreik auf. Zwischen dem 20. und 27. September wird es in Berlin eine Aktionswoche geben. Und am 20. September selbst veranstalten wir eine Blockdemo mit verschiedenen Themenblöcken, wie „Landwirtschaft“ oder „Gesundheit“, mit denen wir zeigen wollen, wie divers diese Krise eigentlich ist. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wirklich alle betroffen sind und die Augen öffnen müssen.

„Taten haben wir bis jetzt nicht gesehen.“

Hannah Blitz gehört zum Berliner Team von „Fridays for Future“

Heute vor einem Jahr saß Greta Thunberg erstmals mit ihrem Plakat vor dem Schwedischen Reichstag. Aus dem Protest einer Einzelnen erwuchs eine weltweite Bewegung. Was hat „Fridays for Future“ bisher erreicht?
Tatsächlich nicht viel. Klar, es reden sehr viele Menschen über uns. Aber Taten, die wir gefordert haben, haben wir bis jetzt nicht gesehen. Wir fordern ja eigentlich nur die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Es ist so absurd, dass wir an so etwas erinnern müssen. Jeden Tag erreichen mich Nachrichten von Umweltkatastrophen und ich spüre selbst, was mit dem Klima passiert. Deshalb habe ich den Eindruck, dass wir nicht viel erreicht haben und dass die Politiker nicht schnell genug handeln. Aber wenn man sich unsere derzeitige Regierung anschaut, ist das für mich nicht überraschend, dass die nicht nach zwei Wochen sagen: Alles gebongt. Trotzdem, ich bin immer noch hoffnungsvoll!

Was heißt das für die Bewegung?
Wir wollen die Sache noch energischer angehen – solange, bis gescheite Reaktionen aus der Politik kommen. Wir müssen am Ball bleiben und noch lauter werden, als wir es jetzt schon sind. Noch bunter, noch kreativer, noch penetranter. Ich möchte von Politikern keine Luschen-Aussagen mehr hören, sondern dass sie gezwungen sind, auf etwas zu reagieren, was seit 40 Jahren wissenschaftlicher Konsens ist!

Sind Politiker diejenigen, von denen du am meisten Gegenwind erfährst?
Man muss mit der Formulierung „die Politiker“ vorsichtig umgehen. Ich meine Spitzenpolitiker, die nicht nur im Rampenlicht stehen, sondern die auch Entscheidungspositionen bekleiden. Natürlich sind es aber auch große Unternehmen, die auf einmal öffentliche Kampagnen gegen uns starten oder rechte Internettrolle. Neulich habe ich auf Twitter gelesen, dass Gretas Uropa den Klimawandel erfunden haben soll. Ich habe auch selbst schon Nachrichten bekommen, ich und meine „linksgrünversifften“ Freunde sollten uns alle die Kugel geben.

„Man muss nicht 90 sein um zu begreifen, was hier schiefläuft.“

Hannah Blitz gehört zum Berliner Team von „Fridays for Future“

Welche Äußerungen über „Fridays for Future“ ärgern dich am meisten?
„Die sind doch viel zu jung“. Ich denke, dass man nicht 90 sein muss, um zu begreifen, was hier schief läuft. Wir leben in einer Zeit, in der man sehr guten Zugang zu Wissen hat. Oder auch Kommentare wie „Lasst das lieber die Profis machen“. Lustigerweise stehen die Profis auf unserer Seite, also entfällt dieses Argument. Und was mich auch nervt: Wenn Leute sich nur auf das Schule „schwänzen“ konzentrieren und vom tatsächlichen Problem ablenken.

Wie regelst du das mit der Schule?
Ich bitte meine Lehrer, mir Unterrichtsmaterial zur Seite zu legen und hole das dann zu Hause nach. Mit meinem Geschichtslehrer habe ich mich darauf geeinigt, dass ich jede Woche eine schriftliche Arbeit vorlege, mit der ich zeige, dass ich mich mit dem Stoff beschäftige. Ich habe seit meiner Aktivität bei „Fridays for Future“ keine Verschlechterung meiner Noten festgestellt. Meinen MSA hab ich mit 1,5 bestanden.

Was sind deine persönlichen Beweggründe für den Kampf gegen den Klimawandel?
Für mich ist es die Artenvielfalt und Schönheit der Natur. Ich kann es kaum fassen, wenn ich Bilder von in Plastik verhedderten Tieren sehe. Es kann nicht sein, dass wir unseren eigenen Lebensraum zerstören. Ich kann mir nicht vorstellen, in dieser Welt Kinder zu bekommen, wenn ich sehe, was hier alles schief läuft. Darum will ich auch selbst dazu beitragen, etwas zu verändern.

„Wenn jeder Mensch so leben würde wie ich, bräuchten wir immer noch 1,8 Erden.“

Hannah Blitz gehört zum Berliner Team von „Fridays for Future“

Wie ist denn dein eigener ökologischer Fußabdruck?
Ich habe den Test gemacht und war ganz schön erschüttert. Seit „Fridays for Future“ lebe ich vegetarisch, meine Familie besitzt kein Auto und ich arbeite auf einen Zero Waste-Lebensstil hin. Dennoch: Wenn jeder Mensch so leben würde wie ich, bräuchten wir immer noch 1,8 Erden.

Wie ist es, Greta persönlich zu treffen? Hat sie Idol-Charakter für dich?
An dem Wort „Idol“ störe ich mich ein bisschen. Das ist vor allem beim Ernst der Lage nicht das treffende Wort. Greta ist eine sehr berühmte Mitstreiterin, aber nicht mehr „Fridays for Future“ als alle anderen. Ich bewundere sie dafür, dass sie alles ins Rollen gebracht hat.

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