Berliner Bildungsmodell könnte Schule machen

Viele Bundesländer wollen vom Turbo-Abi zurück zum Abitur in 13 Jahren. Auch ein Kompromiss wäre möglich.

 

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Ein Jahr weniger Schule – klingt zwar gut, ist es aber nicht, finden viele Schüler und demonstrieren gegen die Einführung des sogenannten Turbo-Abi
Foto: DPA/Roland Weihrauch

Wer vor zwei Jahren Abitur gemacht hat, war entweder in der zwölften oder in der 13. Klasse. Die Laufzeit zur Hochschulreife wurde im Zuge einer umstrittenen Bildungsreform von neun auf acht Jahre verkürzt, ein Doppeljahrgang war die Folge. Hauptgrund für die Änderung war die Angleichung an die Schulzeit in den meisten anderen europäischen Ländern. Die Mehrzahl der Schüler, Eltern und Lehrer war damit allerdings schon damals nicht zufrieden.

 

Nun mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Reform bald Schritt für Schritt rückgängig gemacht werden könnte. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Magazins Stern ergab, dass 72 Prozent aller Deutschen auch zwei Jahre nach dem ersten G8-Jahrgang noch immer unzufrieden sind und sich das Abitur in neun Jahren zurückwünschen. Vor allem in Westdeutschland ist das Abitur in zwölf Jahren unbeliebt. Niedersachsen kündigte unlängst als erstes Bundesland die Rückkehr zum G9-Abitur an. Auch in Baden-Würtemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen gibt es bereits Modellversuche, in denen eine Umstellung auf das Abitur in 13 Jahren getestet wird. In mehreren anderen Bundesländern laufen Initiativen gegen das sogenannte Turbo-Abitur. „Der Schritt zurück zum G9-Abitur wird in den westlichen Bundesländern zum Lauffeuer“, prognostiziert der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann. Als Grund sieht er, dass die G8-Reform falsch umgesetzt wurde. „Lehrer wurden nicht ausreichend vorbereitet, mit Schülern und Eltern wurde nicht kommuniziert. Das rächt sich jetzt.“

 

Einer der Hauptkritikpunkte an dem verkürzten Abitur lautet, die Lehrpläne seien nicht angepasst worden, die gleiche Stoffmenge wie früher müsse nun in weniger Zeit bewältigt werden. Eine Ausnahme davon bildete von Anfang an Berlin. In der Hauptstadt haben Schüler die Möglichkeit, je nachdem ob sie eine Sekundarschule oder ein Gymnasium besuchen, zwischen dem Abitur in zwölf und 13 Jahren zu wählen. Die Senatsbildungsverwaltung steht weiterhin hinter diesem Modell. Es habe jeder gemäß seiner Interessen und seiner Lerngeschwindigkeit die Möglichkeit, die für ihn richtige Schulart auszuwählen, teilt Pressesprecherin Beate Stoffers mit.

 

Diese Sichtweise unterstützt Bildungssprecher Hurrelmann. Er hofft sogar, dass sich das Berliner Modell in ganz Deutschland durchsetzt. Dem Einwand, es könne so eine Art Zwei-Klassen-Abitur entstehen, begegnet er mit dem Vorschlag, den Sekundarschullehrplan zu ergänzen:   „Bei Universitätsbewerbungen ist es egal, ob man das Abitur in zwölf oder 13 Jahren gemacht hat. Nur bei einigen Unternehmen hat das G9-Abitur ein Imageproblem. Das könnte man aber ausgleichen, wenn man die Lehrpläne an den Sekundarschulen um eine berufsbezogene Komponente ergänzt.“ So hätte das eine Jahr mehr, das man an der Sekundarschule zum Abitur braucht, eine Berechtigung, die einen pädagogischen Nutzen habe und zugleich den Unternehmen zugutekäme.

 

(Von Jaromir Simon, 21 Jahre)

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