„Berlin braucht unser Angebot“

Ute Hiller ist 
Geschäftsführerin der Berliner 
Aids-Hilfe. Foto: Berliner Aids-Hilfe
Ute Hiller ist 
Geschäftsführerin der Berliner 
Aids-Hilfe. Foto: Berliner Aids-Hilfe

Ute Hiller, Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe, über das drohende Aus anonymer Aidstests

 

Interview: Bill Schneider, 18 Jahre.

 

Rund 2 300 Berliner wissen nicht, dass sie sich mit HIV angesteckt haben. Ein Bluttest kann Aufschluss darüber geben, ob man sich mit dieser oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis oder Hepatitis C infiziert hat. Mehr als 
4 000 HIV-Tests wurden im Rahmen der „Berliner Testkampagne“ seit September 2011 durchgeführt. Das Besondere ist, dass der Test völlig anonym erfolgt. Allerdings ist Anfang 2014 möglicherweise Schluss mit diesem erfolgreichen Projekt. Denn dann laufen die Mittel der Deutschen Klassenlotterie aus, mit denen es bisher finanziert wurde. Ute Hiller ist Geschäftsführerin und fachliche Leiterin der Berliner Aids-Hilfe, einem der vier Träger der Initiative. Sie erklärt, warum anonyme Tests wichtig sind.

 

Frau Hiller, warum wollen manche Menschen einen HIV-Test lieber anonym durchführen lassen?

 

In vielen Fällen sind die Themen HIV und Aids immer noch mit einer Stigmatisierung der Betroffenen verbunden. Viele haben Angst, dass sie etwa Nachteile beim Abschließen einer Versicherung haben könnten, wenn die Infektion aktenkundig ist. Deshalb bietet unsere Einrichtung einen geschützten Raum. Wir haben auch eine offene Einstellung gegenüber jeder Lebensweise, egal ob man gleich- oder verschiedengeschlechtlich Sex hat.

 

Aber wenn der Test positiv ausfällt, erfährt die Krankenkasse doch spätestens von dem Testergebnis, sobald die Behandlung der Infektion beginnt, oder?

 

Das stimmt. Ein HIV-Infizierter kann mittlerweile die Lebenserwartung eines Menschen mit einer anderen chronischen Erkrankung, zum Beispiel einer behandelten Diabetes, haben. Dazu muss die Infektion aber früh erkannt werden, die Behandlung rechtzeitig beginnen. Viele finden es aber unangenehm, sich dem Hausarzt anzuvertrauen, wenn sie sich testen lassen möchten, und dann vielleicht auch noch erklären zu müssen, dass sie homosexuell sind. Bei einem anonymen Test zögern viele nicht so lange, und man kann möglicherweise früher helfen. Montag bis Freitag sind immer in mindestens einem der vier Beratungszentren „Berliner Aids-Hilfe“, „Pluspunkt“, „Mann-O-Meter“ und „Fixpunkt“ anonyme Tests möglich.

 

Warum soll es dieses Angebot dann Anfang 2014 möglicherweise nicht mehr geben?

 

Die Unterstützung der Klassenlotterie war von vornherein zeitlich begrenzt. Der Senat findet unsere Arbeit zwar wichtig – man ist dort aber nicht bereit, auch für die Kosten ab 2014 aufzukommen. Wer sich ab nächstem Jahr anonym testen lassen will, müsste ein Zentrum für sexuelle Gesundheit aufsuchen.

 

Was ist der Unterschied zwischen einem anonymen Test beim Zentrum für sexuelle Gesundheit und bei einem freien Träger wie Ihrem?

 

Im Zentrum für sexuelle Gesundheit kann man zurzeit Labortests machen, das heißt, man muss eine Woche auf das Ergebnis warten. Wir führen auch so genannte Schnelltests durch. Damit kann nach einer halben Stunde eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Nur wenn der Test reagiert, wird ein zweiter gemacht, bei dem man einige Tage auf die Bestätigung warten muss. Unser Ziel ist auch, dass jeder Getestete etwas lernt. Es gibt ein Vor- und ein Nachgespräch, in denen es um Fragen und Erwartungen zum HIV-Test geht und um Praktiken menschlicher Sexualität allgemein. Gerade junge Menschen sind sich oft unsicher und nehmen gern diese Beratung in Anspruch. Es ist wichtig, diese Zielgruppe zu erreichen, weil man in jungen Jahren viel ausprobiert. 45 Prozent der Getesteten waren jünger als 30 Jahre, und jeder ab 16 Jahren kann einen Test ohne Kenntnis der Eltern bei uns und in den anderen Beratungszentren nutzen. Berlin braucht dieses Angebot.

 

Welche Angebote hat die Berliner AidsHilfe noch für junge Menschen?

 

Wir bieten Aufklärungs-Workshops für Schüler an. Zu unserer Präventionsarbeit gehören zudem außerschulische Angebote, etwa ein Geocaching, bei dem Schüler- oder Jugendgruppen im Schöneberger Kiez Stationen ablaufen, Workshops besuchen und Rätsel lösen. Dabei lernt man etwas darüber, wie sich die Sicht auf Sexualität verändert hat, und wie man seine Sexualität selbstbestimmt gestalten kann.

 

 

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