„Ich habe damals gar nicht realisiert, dass das mit meinem Teller zu tun hat.“


Im Rahmen unserer Serie zum Thema Klimaerwärmung, bringen wir diese Woche ein Interview mit Attila Hildmann zum Thema Klima und Ernährung.


Attila Hildmann, von der Fit for Fun zum ''zukünftigen Kultkoch'' erhoben, produziert Kochshows und hat es geschafft Footballern Tofu-Burger unterzuschieben. (Foto: Attila Hildmann)
Ich treffe mich mit Attila in einem Kochstudio ein wenig außerhalb des Berliner Zentrums. Als ich ankomme, kocht er gerade für die Kamera. Leise trete ich ein und schaue ihm beim Kochen zu. Als alles im Kasten ist, bietet er mir das zubereitete Essen an. Zu der Gelegenheit, ein von einem professionellen Vegan-Koch kredenztes Gericht zu probieren, sage ich natürlich nicht nein – außerdem habe ich ernsthaft Hunger. Nach gefühlten dreißig Sekunden ist von dem Tofu-Schnitzel mit Kartoffeltalern, Rosenkohl und in Agavensirup kandierten und mit Vanilleschoten abgeschmeckten Karottenstreifen nichts mehr übrig. Der Anstand verbietet es mir den Teller auch noch sauber zu lecken.


Attila, Du bist Veganer. Ich denke, dass viele Menschen vielleicht wissen, was ein Vegetarier ist, weniger aber was ein Veganer ist. Kannst Du bitte kurz erklären, was es heißt ein Veganer zu sein?


Veganer sind Menschen, die komplett auf tierische Produkte verzichten. Das heißt der Unterschied zwischen Veganern und Vegetariern besteht darin, dass viele Vegetarier noch Eier essen oder Milch trinken, während Veganer diese Sachen weglassen. Manche gehen auch so weit, dass sie darauf achten nur pflanzliche Kleidung oder Kosmetik zu kaufen. Wie weit jeder gehen möchte, bleibt aber letztlich jedem selbst überlassen. Ich finde es immer ganz praktikabel, wenn man einfach sagt, man verzichtet als Veganer zusätzlich auf Milchprodukte und Eier.


Viele werden sich jetzt fragen: Ist das denn nicht ungesund nur noch Pflanzen zu essen?


Das ist eine interessante Frage, die immer wieder gestellt wird. Es ist ja so, dass wir heute massiv an Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Gefäßerkrankungen leiden. Alle diese Krankheiten werden damit verbunden, dass man tierische Fette zu sich nimmt. Herzinfarkte zum Beispiel stehen in Verbindung mit Cholesterin, was sich allein in tierischen Produkten befindet, während gesättigte Fettsäuren zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko oder eben zu Krankheiten wie Diabetes führen. Auch Magendarmkrebs wird in direkte Verbindung mit rotem Fleisch gebracht.


Und dann ist es ja auch so, dass selbst die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt, man solle fünfmal am Tag Obst und Gemüse essen. Jetzt frage ich aber einfach mal, wie soll man das machen, wenn man ganz normal isst. Selbst ich als Veganer, der sich rein pflanzlich ernährt, habe manchmal Schwierigkeiten auf diese fünf Portionen zu kommen. Vegane Ernährung ist also tatsächlich sehr gesund und sie schützt vor allen möglichen Krankheiten. Zusätzlich ist sie eine Art von natürlichem Anti-Aging.


Ich möchte aber auch noch mal klar verdeutlich, dass die Möglichkeit das ganze Jahr über rein pflanzlich zu essen, ein großer Luxus ist. Man muss sich mal vorstellen, dass die Menschen früher den ganzen Winter über nur Kartoffeln essen konnten. Vielleicht gab es manchmal die Möglichkeit einen Hasen oder ein Reh zu schießen aber im Wesentlichen bestand die Diät aus Kartoffeln. Heute bekommt man sogar im Winter Obst und Gemüse. Ich halte die vegane Ernährung für eine sehr gesunde Ernährung. Ich merke es an mir selber, sie ist gut für mein Sexleben, sie ist gut für meine Gesundheit und sie ist gut für meine Fitness.


Von Menschen, die sich entschieden haben kein Fleisch mehr zu essen oder sich sogar vegan zu ernähren, hört man oft, dass sie diese Entscheidung nach einem besonderen Erlebnis getroffen haben, wie etwa nachdem sie einen Film über Tierhaltung gesehen oder ein Buch über Ernährung gelesen haben. War das bei Dir auch so und wenn ja, wann war das?


Ich wurde durch einen Kumpel zum Vegetarier. Der machte Bodybuilding und ernährte sich trotzdem vegetarisch. Kurz vor dem Abi war das und mich hat das sehr beeindruckt. Ich habe mich gefragt warum ich mich nie damit beschäftigt habe, weil ich eigentlich schon ein Mensch bin, dem Tiere nicht egal sind. In meiner Jugend, als ich 16 war, gab es dann diesen BSE-Skandal. Da konnte man sehen wie ganze Rinderherden verbrannt wurden und mit riesigen Baggern umgeschaufelt. Ich muss sagen, ich habe damals gar nicht realisiert, dass das mit meinem Teller zu tun hat. Es gab zwar eine Phase in der ich darauf geachtet habe kein Rind mehr zu kaufen, nur das hat sich dann irgendwann verlaufen. Erst durch diesen Kumpel ist die Sache in Bewegung geraten und ich habe von einem auf den anderen Tag gesagt: ich bin Vegetarier. Ich habe angefangen im Reformhaus einzukaufen und mich mit den ganzen Produkten auseinanderzusetzen. Und weil damals die Alternativen noch nicht so gegeben waren und ich schon immer einen Faible fürs Kochen hatte, habe ich angefangen selber zu kochen.


Das zweite Schlüsselerlebnis war, als mein Vater vor zehn Jahren an einem Herzinfarkt starb. Er war ein hochangesehener Ingenieur, ständig überarbeitet und sagte immer zu mir: „Attila, ich möchte genießen aber ich möchte auf nichts verzichten.“ Damals, als ich noch nicht Vegetarier war, wusste ich noch nicht wie man das hätte machen können – Genuss plus eine gesunde Ernährung. Heute aber ist es das was ich mache. Ich versuche die besten Zutaten, die den Körper schützen und die Gesundheit erhalten in delikate Sachen zu verwandeln. So kann man schlemmen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe zum Beispiel 25 Kilo abgenommen seitdem ich Veganer bin, meine Akne ist weggegangen und ich fühle mich einfach besser.


Es waren also diese beiden Schlüsselerlebnisse, die mich letztlich zur veganen Ernährung gebracht haben. Und dass das ganze Trend ist und gut ankommt sieht man eben auch daran, dass die Freie Universität jetzt die erste vegetarische Mensa Deutschlands hat.


Nur noch pflanzliche Lebensmittel zu essen, kann ja eine enorme Umgewöhnung sein. Ist Dir diese Umgewöhnung schwer gefallen und gerätst Du manchmal noch in Versuchung ein Stück Fleisch oder ein Spiegelei zum Frühstück zu essen?


Ich mache das mittlerweile seit acht Jahren und ich glaube bei mir war es in den ersten zwei, drei Jahren schon so, dass ich für ein paar Sachen eine Alternative finden musste. Mittlerweile konsumiere ich sehr viele frische Produkte und sehe einfach die Vielfalt der gesamten Pflanzenwelt. Man muss nicht unbedingt ein Schnitzel haben, man kann sich auch ein ganz tolles Selerieschnitzel mit einer Walnusskruste machen.


Inzwischen ist es ja so, dass es ein breites Angebot an Alternativprodukten gibt. Das heißt diese Umstellung, die würde mir heute überhaupt nicht mehr schwer fallen, weil es in Berlin – meiner Meinung nach die europäische Hauptstadt der Veganer – inzwischen an jeder Ecke einen veganen Imbiss gibt. Es gibt vegane Sterne-Restaurants und in jedem Biosupermarkt, wenn nicht sogar im normalen Supermarkt, findest du die ganzen Alternativprodukte wie pflanzliche Sahne, Schlagsahne, Eiscreme, Aufstriche, Schnitzel und so weiter. Auch in den ganzen Discountern gibt es inzwischen eine Ecke, in der man diese Produkte findet.


Man hört oft, dass Rinder mit ihren Blähungen, die unter anderem durch das ständige Wiederkäuen der Nahrung entstehen, eine große Menge an Treibhausgasen produzieren und damit den Klimawandel nicht unwesentlich vorantreiben. Bietet eine vegane Ernährung also auch einen Weg etwas für das Klima unserer Erde zu tun?


Ich wundere mich, dass das in den letzten Jahren so wenig thematisiert wurde. Mittlerweile hat sich sogar die UN positioniert und sagt, dass die Umstellung auf eine vegane Ernährung ein wichtiger Schritt ist das Klima zu retten. Wir sollten wirklich die Fakten auf den Tisch legen, denn es ist so, dass 51% des Klimawandels durch die Viehzucht verursacht wird. Wie du sagtest, Kühe pupsen halt und sie pupsen Methan und CO2. Methan aber ist 25 mal klimaschädlicher als CO2.


Selbst wenn wir morgen unseren kompletten Verkehr stehen lassen würden, das heißt keinen Auto-, keinen Schiffs- und keinen Flugverkehr mehr hätten, dann hätten wir mit der Viehaltung immer noch einen enorm klimaschädlichen Faktor. Es ist heute einfach nicht mehr angebracht unser Erdklima so dermaßen zu riskieren, nur weil wir sieben Tage die Woche ein Schnitzel haben möchten.


Ich selber sehe mich nicht als Aktivist der in der Fußgängerzone steht und die Leute mit Plakaten aufmerksam macht. Ich bin jemand, dem es auf den Genuss ankommt, jemand dem gutes Essen wichtig ist. Und eine vegane Ernährung ist der einfachste aber effektivste Schritt, um etwas gegen die Klimaerwärmung zu tun.


Wir müssen natürlich auch sehen, dass der Regenwald massiv für Futtermittel abgeholzt wird. Das importieren wir dann als reiche Länder, um unsere Schweine und Rinder zu füttern. Dafür verarmen dann die anderen Länder, weil sie kaum etwas anders als dieses Futtermittel anbauen können, während das Fleisch der Tiere, die mit den Futtermitteln gezüchtet werden, zu teuer für diese Menschen ist. Je länger du dich damit beschäftigst, desto mehr merkst du was für einen riesigen Einfluss die Ernährung hat. Der wichtigste Schritt für mich ist heute, dass wir alle anfangen uns überwiegend vegetarisch zu ernähren.


Ich merke es immer wieder bei mir selbst: wenn ich abends nach Hause komme und noch etwas essen möchte oder mir etwas zum Mittag mache, dann soll es schnell gehen. Verlangt eine vegane Ernährung mehr Zeit oder ist das nur eine Frage der richtigen Strategie?


Das ist ein Vorurteil, das so nicht korrekt ist, denn du kannst viele Sachen vorbereiten. Zum Beispiel habe ich vor kurzem eine Low-Carb-Diät gemacht auch um einfach noch ein paar Kilo zu verlieren und noch ein bisschen mehr Muskulatur aufzubauen. Das heißt ich habe sehr viele Hülsenfrüchte gegessen, die sehr proteinreich sind und ich habe auf Pasta und Brot verzichtet. Ich habe dann Linsen gegessen, die ich an einem Tag eingeweicht und am nächsten gekocht habe. Die Linsen kann man dann zum Beispiel mit Lorbeerblättern, Olivenöl und Balsamico anmachen und mit einem schönen Pesto toppen. Dann kann man noch einen Salat dazu machen, alles in den Kühlschrank stellen und wenn man nach Hause kommt, hat man sofort was zum Essen.


Das Interview führte Ole Faß


Wenn ihr euch zumindest visuell von veganer Ernährung überzeugen wollt, könnt ihr Attila unter www.youtube.com/user/AttilaHildmannTV beim Kochen zusehen.


Attilas Homepage: www.attilahildmann.com. Seine Kochbücher gibt es u.a. bei amazon zu bestellen.

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