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Andere Länder, andere Sitten: Gut, wenn man mit Freude darüber diskutieren kann.

Europawahl? Nein danke!

Junge Deutsche scheinen sich auf die Europawahl zu freuen. Doch im Urlaub habe ich festgestellt: Nicht alle haben Bock, wählen zu gehen.

Die junge Polin Olga schaut mich nur verdattert an, als ich sie in der Hostelküche auf die Europawahl anspreche: Habe sie noch nichts von gehört. Auch Teresa aus Tschechien scheint verwundert. In ihren Ländern gebe es so etwas nicht, da würden nur die Abgeordneten der nationalen Parlamente gewählt. Das sei ja auch das einzig Wichtige, erklären die beiden mir.

Polen und Tschechien belegten bei der vergangenen Europawahl im Jahr 2014 mit einer Wahlbeteiligung von 23,8 und 18,2 Prozent den drittletzten und vorletzten Platz. Zu diesen Zahlen passt das Unverständnis der zwei: Warum sich mit der EU beschäftigen? Bringe doch eh nur Probleme mit sich.

Trotzdem ist meine Verblüffung groß. Wir sind drei Europäerinnen um die 20 mit ähnlichen Ambitionen, Träumen und Lebensweisen, aber unsere Diskussion zeigt: Wir könnten nicht unterschiedlicher über die Europäische Union denken.

Flüchtlinge sind weiterhin ein Streitthema

Das zeigt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des polnischen Instituts für Öffentliche Angelegenheiten aus dem Jahr 2017. Junge Polen zwischen 18 und 34 Jahren sehen das größte Problem der Europäischen Union im islamistischen Fundamentalismus und Terror, dicht gefolgt von der Zuwanderung von Flüchtlingen. Junge Deutsche sorgen sich ebenfalls am meisten um islamistischen Terror, aber fast genauso viele sehen den Klimawandel und daraus folgende Naturkatastrophen als das größte Problem der EU an. Top 3: der wachsende Nationalismus. Dieser Wert ist bei Polen und Tschechen nicht so ausgeprägt.

Als ich Olga auf die strikte Antiflüchtlingspolitik ihres Landes anspreche, nickt sie und erklärt mir, dass Menschen anderer Kulturen nur die eigene zerstören würden. Daher seien sie nicht willkommen in Polen. Als ich erzähle, dass viele junge Deutsche der Meinung seien, Europa habe die Pflicht, Menschen in Not zu helfen, lacht sie. Ihrer Meinung nach könne man doch auch einfach Geld in die Länder schicken, das würde schon reichen. Ihr Freundeskreis sei derselben Meinung. Flüchtlinge müssen draußen bleiben – ich erneut baff.

Immerhin: Alle sind pro EU

Zumindest glauben wir alle, dass es das Beste für unsere Länder wäre, in der EU zu bleiben. So sehen es auch unsere Altersgenossen mehrheitlich. Unsere Diskussion dauert bis in die späten Abendstunden und neben zahlreichen Uneinigkeiten lassen sich auch immer mehr Gemeinsamkeiten finden. Dazu zählt zum Beispiel die Möglichkeit zu haben, in den verschiedensten EU-Ländern arbeiten, studieren und leben zu können. Wir hören einander zu, diskutieren, beginnen zu verstehen und am Ende sind wir drei einer Meinung. Die EU ist uns wichtig, weil sie eben genau das ermöglicht: Eine Polin, Deutsche und Tschechin diskutieren über eine Wertegemeinschaft, der sie sich zugehörig fühlen – das verbindet. Auch wenn es nicht alle in die Wahlkabine treibt.

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Kategorien Politik

Der kuriose Briefmarkensammler in der Bibliothek oder ein mal zu Späßen aufgelegter Busfahrer – es sind die kleinen wunderbar skurrilen Alltagsgeschichten unserer Großstadt, die ich mit meinen Worten einfangen will. Ich, eine waschechte 18-jährige Berlinerin, die neben dem geschriebenen Wort auch ein großer Fan von guter Musik und Woody-Allen-Filmen ist. Schreiben bedeutet für mich reflektieren, verstehen und sich einfach mal fallen zu lassen, ganz nach Frau Lindgrens Devise: „Man muss so schreiben, dass es für einen selbst eine Freude ist, sonst kann es auch für andere keine Freude sein.“