Interview

Landesschülervertreter im Interview: „Uns erreichen täglich Schülerbeschwerden“

Das Schuljahr geht zu Ende, die Probleme der Bildungspolitik bleiben. Die Sprecher der Landesschülervertretung von Berlin und Brandenburg verraten uns im Interview, was sich an den Schulen ändern muss.

Interview: Jessica Schattenberg, 18 Jahre

Die Probleme in der Bildungspolitik sind vielseitig: Die Schulen sind marode, das Bildungssystem wird kritisiert, beim Abitur gab es wieder Pannen. Viele Probleme seien hausgemacht, meinen Konstantin Gülden, Berliner Landesschülervertreter, und Johannes Hänig, Sprecher des Landesschülerrates Brandenburg.

Die Abi-Prüfungen in Brandenburg sorgten für Aufruhr, doch auch in Berlin ist der Unmut groß. Was lief schief?
Johannes: Es gibt ein Kommunikationsdefizit zwischen Schulen und Behörden auf Landesebene. Die neuen nationalen Bildungsstandards wurden an vielen Schulen nicht umgesetzt und haben die Schüler überfordert. Den Kompromiss, den das Ministerium eingegangen ist, halte ich für gerecht – die Schüler konnten die Prüfung vergangenen Montag wiederholen. Damit ist die Generalprobe zu einem Deutschland-Abi aber fehlgeschlagen. Das muss in Zukunft besser laufen.
Konstantin: Ähnlich wie in Brandenburg wurden auch bei uns die Erwartungshorizonte angepasst. Leider wurde das den Schulen und Lehrern nicht ausreichend vermittelt. Uns erreichen täglich neue Beschwerden von Schülern.

Konstantin Gülden: „Ich sehe das Problem in der Bürokratie.“

Konstantin Gülden (l.) und Johannes Hänig setzten sich für die Interessen von Schülern ein.

Kaputte Toiletten, defekte Heizungen, Schimmel an den Wänden. Hiesige Schulen haben im vergangenen Schuljahr für zahlreiche Schlagzeilen gesorgt. Was sagt ihr dazu?
Konstantin: Ich sehe das Problem in der Bürokratie. Damit eine Schule saniert wird, müssen Studien angefertigt, Aufträge ausgeschrieben und Alternativgebäude gefunden werden. Teilweise sind es dann Kleinigkeiten, die das in die Länge ziehen – wie etwa der Brandschutz oder das Einverständnis der ursprünglichen Architekten. Das braucht Geld, doch vor allem Zeit und Ausdauer. Das demotiviert und dann werden kleinere Schäden einfach nicht behoben. Längst werden den Bezirken nicht alle Mängel gemeldet, dabei gibt es dafür sogar eine eigene Hotline. Scheinbar ist das zu wenigen bekannt.

Seid ihr für ein zentrales Bildungssystem aller Länder mit ebenso zentralen Abiturprüfungen?
Konstantin: Ja. Schulabschlüsse müssen schließlich vergleichbar sein, aber es zählen noch weitere Faktoren. Beispielsweise existiert in einigen Bundesländern die Idee der Allgemeinkunde. Was ist mit Lehrern, die dieses Fach studieren und dann in ein Bundesland umziehen, in dem es das gar nicht gibt? Und wie gehen Schüler nach einem Schulwechsel mit neuen Schulfächern um? Wechsel müssen definitiv leichter gestaltet werden. Unser Prinzip mit Grundschule, Förderschule und Gymnasium beziehungsweise Integrierter Sekundarschule finde ich aber sehr gelungen.
Johannes: Ein Zentralabitur wäre der zweite Schritt. Zunächst brauchen wir einen einheitlichen Weg zum Abitur, der aber immer noch Raum für regionale Eigenheiten bietet. Auf Veränderungen muss schnell reagiert werden – das kann nur vor Ort passieren, weshalb die Bildungshoheit bei den Ländern bleiben sollte. Außerdem sichert das den Wettbewerb, weil jedes Land am Ende des Schuljahres die besten Absolventen verabschieden möchte.

Wie steht ihr zum Handyverbot an Schulen?
Konstantin: Das grundsätzliche Verbot sollte abgeschafft werden, schließlich ist es essenziell, dass Schüler lernen, mit digitalen Medien umzugehen. Verschließen sich Schulen davor, verfehlen sie schlichtweg ihren Zweck.

Johannes Hänig: „Die Landesschülervertretung hat schon Gewicht, damit muss die Bildungspolitik rechnen.“

Das Abitur wird immer beliebter, die Ausbildung nach der 10. Klasse hingegen scheint verschrien. Wieso?
Johannes: Das Abitur bietet viele Chancen, sich zu entfalten, während der Abschluss nach der 10. Klasse nicht alle Türen öffnet. Dass danach dennoch studiert werden kann, wird oft nicht beachtet. Wir brauchen jedoch dringend Berufsabsolventen. Das zeigt die Statistik. Daher werden Ausbildungsberufe gerade wegen der Knappheit an Azubis bald genauso gut bezahlt sein wie vergleichbare für Akademiker vorgesehene Stellen.

Mit dem Landesschülerausschuss und dem Landesschülerrat bildet ihr die Gremien, die solche Probleme ansprechen. Wie sieht eure Arbeit aus und wie nehmt ihr Einfluss?
Johannes: Die Landesschülervertretung hat schon Gewicht, damit muss die Bildungspolitik rechnen. Wir haben regen Kontakt zur Basis über Regionalkonferenzen und Delegiertenkonferenzen sowie Diskussionsforen. Weiterhin stehen wir in engem Kontakt zur Politik und verstehen uns bei parlamentarischen Verfahren als „Schüler-Lobby“. Dabei ist es nicht immer einfach zu wissen, was für die breite Masse am besten ist.

Ihr erhaltet Gelder von der Institution, die ihr durchaus kritisieren müsst. Fühlt ihr euch da ernst genommen?
Konstantin: Das ist schwierig. Wir bekommen die Möglichkeit, oft mit unserer Senatorin in Kontakt zu treten und finden dort Gehör. Aber wir sind finanziell abhängig und somit auch unsere gesamte Arbeit. Dass wir nur Schüler sind und das Engagement neben unserem Hauptjob stattfindet, nämlich der Schule, wird einfach unterschätzt. Wir würden uns wünschen, eine FSJ-Stelle vergeben zu können. Eine tolle Möglichkeit, die es in Brandenburg schon gibt.
Johannes: Bei uns herrscht eine konstruktive und dankbare Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Schüler zu vertreten, bedeutet, das Ministerium auch Mal zu kritisieren. Das ist dann eben so. Dafür erhalten wir aber viel Verständnis, denn schließlich ist das unsere Aufgabe.

Konstantin Gülden: „Generell werden Schüler einfach zu wenig ernst genommen.“

Was läuft eurer Meinung nach noch in der Bildungslandschaft schief?
Konstantin: Generell werden Schüler einfach zu wenig ernst genommen. Wenn sie aber mitentscheiden dürfen, motiviert das ungemein. Oder dass die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt endlich anerkannt wird. Gendern darf in der Klausur nicht mehr als grammatikalischer Fehler angestrichen werden, ganz klar. Natürlich wünschen Johannes und ich uns auch, dass 90 Prozent der Schüler die Landesschülervertretung kennen. Aber bei all dem sind wir auf einem guten Weg.

Foto: dpa

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Kategorien Interview Politik Schule Schule & Zukunft Schulpolitik

Statt Netflix verfolge ich Konzerte. Ich (20 Jahre) brauche keine Sojamilch, sondern guten Kaffee. Mein Yoga ist es, auf viel zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Dabei ist der Eisbär mein Patronus, den meine Eltern mir mit sieben Jahren einfach nicht als Haustier erlaubten. Aber wenn eine Idee von der Außenwelt für verrückt erklärt wird, dann muss sie erst recht verwirklicht werden, und eben jene Personen mit Mut und außergewöhnlichen Gedanken sind es, von denen die Welt wissen sollte. Was kann ich da sinnvolleres tun, als für Spreewild zu schreiben? Die Verhandlungen um den Eisbären laufen jedenfalls weiter.