Demo nach Holm-Entlassung: „Es geht nicht um Personenkult, es geht um eine andere Politik“

Studis demonstrieren für Andrej Holm, gegen Mietwucher und „kritische Leere“

Die Luft ist eiskalt und sonnenklar an diesem Samstag in Mitte um 13 Uhr. Menschen haben sich vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz versammelt, halten Transparente, auf denen es heißt „Berlin bleibt billig“, „Recht auf Stadt“ oder „Wohnraum für alle“.

Von hier aus startet die Route der Demonstration, an der sich Studierende, Schüler und Mieter beteiligen. Und es sind viele. Längst geht es ihnen nicht mehr nur um den Protest gegen die Entlassung von Andrej Holm. Der ehemalige Staatssekretär und wissenschaftliche Mitarbeiter an der HU ist vor allem Symbol für eine Politik, die „näher an den Hausbesetzern, als an den Investoren“ ist, wie die Initiatoren der Demo bei einem Stopp vor dem Roten Rathaus durch die Lautsprecher verkünden. Denn hier sitzt der Berliner Senat, der Engagement für den sozialen Wohnungsbau versprochen hat. Bisher ohne zufriedenstellende Ergebnisse, wie die Demonstrierenden lautstark monieren.

Es wird gepfiffen, gesungen und gebrüllt. Musik dröhnt aus der Anlage eines roten Kleinbusses, der sich langsam vom Alexanderplatz bis zur Humboldt-Universität schiebt. Die Demonstration ist bunt, geräuschvoll und vor allem – friedlich. Keine Ziegelsteine, sondern Schaumstoffquader flieg

Fotos: Margarethe Neubauer

en durch die Luft. Die Demonstrierenden sind farbenfroh gekleidet und genießen die Wintersonne. Trotz der guten Stimmung ist es ihnen natürlich bitterernst. „Keine Profite mit der Miete“ skandieren sie und meinen damit, dass Wohnraum in Berlin bezahlbar bleiben muss. Auch für Geringverdienende und Studenten.

Der durch den Senat forcierte Rücktritt Holms als Staatssekretär ist für sie ein erheblicher Rückschlag im gemeinsamen Kampf gegen die Gentrifizierung. „Es geht uns nicht um Personenkult, es geht um eine andere Politik“, heißt es von einem studentischen Redner. Neben der Kritik an der Berliner Stadtpolitik richten sich einige wütende Plakate auch gegen HU-Präsidentin Sabine Kunst. „Das ist Kunst, oh nein, oh nein, oh nein“ zitiert ein Slogan die linken Elektropunker Frittenbude. Die Entlassung Holms durch die Präsidentin sei eine Entscheidung wider die Interessen der Studierendenschaft, die seine kritische Lehre sehr schätzen würden. „Die Uni sind wir“ rufen die studentischen Demonstranten vor dem Hauptgebäude der HU. Nicht alle stimmen mit ein. Vielen scheint es mittlerweile schwer zu fallen, sich mit „ihrer“ Uni zu identifizieren.

Als die Route zu Ende ist, strömen die Demonstrierenden in das noch immer besetzte Institut für Sozialwissenschaften. Alle sind ordentlich durchgefroren und werden hier mit Essen aus der Küfa („Küche für alle“) verköstigt. Jemand spielt Gitarre im Foyer, überall können sich Interessierte mit Flyern oder im Gespräch mit den Besetzern informieren. Die gelungene Demonstration und das solidarische Beisammensein im Sowi-Institut lassen erahnen, dass dies sicher nicht das letzte Zeichen ist, das diese Bewegung setzen wird. Damit die Uni und auch ganz Berlin ein Ort für die Studierenden bleibt.

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Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.