Das „Junge Wahlprogramm“ formuliert Forderungen Jugendlicher an die Politik
Oma Anni ist einer von vielen älteren Menschen, die einem zurzeit von den Wahlplakaten entgegenschauen. Dazwischen sieht man ab und an Frank Henkel, der ein Kind auf seinen Schultern balanciert. Dazwischen scheint es im aktuellen Wahlkampf nicht viel zu geben. Die Probleme und Anliegen von Jugendlichen jedenfalls seien kaum Thema, kritisieren der Landesjugendring (LJR) und der Bund der Katholische Jugend Berlin (BDKJ). „Deshalb haben wir zusammen das ‚Junge Wahlprogramm für Berlin‘ formuliert“, sagt Tilmann Weickmann vom LJR. Vergangene Woche stellte er die Schrift gemeinsam mit Gregor Podschun vom BDKJ bei einer Podiumsdiskussion auf dem Alexanderplatz Vertretern von Linken, Grünen, SPD und CDU vor.
Der LJR fordert 360 000 Euro und die Verabschiedung eines Jugendförderungsgesetzes zur Stärkung der Berliner Jugendverbände. Die Verbände, zu denen etwa die Jugendfeuerwehr und die Sportjugend Berlin gehören, seien essenziell für die Identitätsfindung von Heranwachsenden. Sie würden Freiräume schaffen, in denen Jugendliche Interessen ausbilden und ihre Freizeit gestalten können. Sowohl Flüchtlingskinder als auch Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen seien auf die kostengünstigen Freizeitangebote der Jugendverbände angewiesen, um am sozialen Leben teilhaben zu können.
Daher solle ehrenamtliches Engagement in den Verbänden etwa dadurch unterstützt werden, dass Studenten von ihren Hochschulen für die Ausübung ihrer Tätigkeit freigestellt werden und mit einem „Ehrenamtticket“ künftig Vergünstigungen erhalten. So soll das Ticket als Fahrkarte genutzt werden können.
Die intensivste Diskussion gab es allerdings um die Forderung, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, um die politische Partizipation von Jugendlichen zu fördern. Während Björn Eggert (SPD) und June Tomiak (Grüne) sich tendenziell offen für den Vorschlag zeigten, ging Katrin Möller von der Linken hinsichtlich des Wahlrechts in Berlin sogar soweit, von einer „schizophrenen Situation“ zu sprechen. Gemeint war, dass Jugendliche auf Bezirksebene ab 16 Jahren wählen dürfen, nicht jedoch auf Landesebene. Gregor Podschun vom BDKJ sagte: „Bevor sie volljährig werden, müssen Jugendliche Steuern zahlen, dürfen Alkohol konsumieren und mit einer Waffe in der Bundeswehr kämpfen.“ Daher sei es inkonsequent, ihnen nicht das volle Stimmrecht zuzusprechen.
Einzig Roman Simon (CDU) sprach sich dafür aus, das Wahlalter weiter an die Volljährigkeit zu koppeln. „Gut gebildete Menschen sind politikinteressierter“, sagte der Bildungspolitiker und argumentierte, dass ein zwei Jahre später verliehenes Wahlrecht zwei Jahre mehr Zeit bedeute, sich politisch zu informieren. Hierauf kam Protest aus dem Publikum. Zwei Freundinnen meldeten sich zu Wort. Sie betonten, unterschiedliche Bildungsabschlüsse zu haben, aber beide politikinteressiert zu sein. „Politisches Interesse ist keine Frage der Bildung, sondern eine Frage der Einstellung“, sagte eine von ihnen. „Das Interesse und Engagement von Jugendlichen wird durch eine Senkung des Wahlalters steigen. Denn warum soll man sich eine politische Meinung bilden, wenn diese gar nicht zählt?“